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10.07.2012

"Kritik ist nichts Verwerfliches"

Der Rokokoflügel des Kurfürstlichen Palais neben der Palastaula gehört zu den Lieblingsbauwerken der Baudezernentin. Sie schätzt den Mut der Baumeister, Altes und Neues zu verbinden.
Der Rokokoflügel des Kurfürstlichen Palais neben der Palastaula gehört zu den Lieblingsbauwerken der Baudezernentin. Sie schätzt den Mut der Baumeister, Altes und Neues zu verbinden.
Seit 2007 ist Simone Kaes-Torchiani Beigeordnete der Stadt und als Dezernentin für die Bereiche Planung, Bauen, Umwelt und Verkehr zuständig. Bevor die in Kottenheim in der Nähe von Mayen geborene Stadtplanerin nach Trier kam, war sie Technische Beigeordnete in Stolberg. Im Gespräch mit der RaZ zieht Kaes-Torchiani nach fünfjähriger Amtszeit Bilanz, erklärt, warum Kritik aus dem Internet nur bedingt konstruktiv ist und was Maastricht mit Trier gemeinsam hat.

RaZ: Frau Kaes-Torchiani, was hat Sie bewogen, Architektur mit Schwerpunkt Städtebau als Studienfach zu wählen?

Kaes-Torchiani: Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, als das damalige „Wirtschaftswunder“ die Innenstädte auch in mittelgroßen Städten nicht nur positiv veränderte. Es war also offenkundig, dass es darum gehen musste, solche Veränderungsprozesse  rechtzeitiger zu erkennen und notwendige Planungen anzustoßen. Ich wollte gerne mit gestalten, kreative Prozesse einleiten und begleiten. Dafür brauchte  ich das richtige Rüstzeug. Das habe ich mir nicht nur im Studium geholt, sondern mit beruflichen Erfahrungen ergänzt: zweimal als Bauamtsleiterin in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg und, bevor ich nach Trier kam, als Beigeordnete und Baudezernentin in einer nordrhein-westfälischen Stadt.

Worin besteht die größte Herausforderung für Ihre Arbeit als Baudezernentin?

Gute und vorausschauende Stadtplanung erfordert nicht in erster Linie, Pläne auf Papier zu zeichnen, sondern die Vorstellungen der Menschen und besonders natürlich der  Entscheidungsträger über Planung, über Voraussetzungen, Ziele und Mittel zu prägen und, wo notwendig, mit sachlichen und qualitativen Argumenten auch zu verändern. Aber gelegentlich werden Planer ja nicht um ihren Rat gefragt, weil man etwa nicht wüsste, was zu tun wäre, sondern, weil man es zwar weiß, aber ungern tut und in dieser Situation eine Hilfestellung erwartet. Die Aufgabe ist also, dazu beizutragen, dass die richtigen Lösungen erarbeitet werden. Ein Entscheidungsprozess zu erkannten Problemlösungen und zur Verwirklichung vereinbarter Ziele und Projekte muss organisiert und die gefundenen Lösungen müssen schließlich umgesetzt werden. Die Herausforderung liegt vor allem darin, im Streben nach bestmöglichen Lösungen für die Stadt Trier nicht nachzulassen.  

Als Baudezernentin haben Sie in der Öffentlichkeit gelegentlich einen schweren Stand und werden nicht nur von Beifall begleitet, vor allem, wenn es um Maßnahmen geht, die in der Öffentlichkeit kontrovers beurteilt werden.

Ich bin es gewohnt, nicht um die Dinge herum zu reden. Mitunter wird dies als undiplomatisch bezeichnet, aber damit kann ich leben. Die Menschen  haben ja schließlich einen Anspruch darauf, von mir als der zuständigen Beigeordneten zu erfahren, welche Gründe, Notwendigkeiten und gesetzlichen Vorschriften zu der einen oder anderen Handlung führen oder eben nicht führen können. Die Entscheidungen treffe ich in den seltensten Fällen allein, und Beschlüsse des Stadtrats, wenn sie nicht das Recht verletzen, gilt es einfach auszuführen, auch wenn Teile der Bürgerschaft sich in dem einen oder anderen Fall etwas anderes gewünscht haben.

Gibt es in Trier ein Bauwerk, das Sie als etwas ganz Besonderes bezeichnen würden?

Ja. Der Rokokoflügel des Kurfürstlichen Palais neben der Palastaula. Das ist eine Form von Einheit, die die Verschiedenheit der Zeiten und ihrer Architektursprachen nicht verkleistert, sondern betont und so bis heute Zeugnis von dem Mut und der Genialität von Bauherr und Baumeister ablegt. Die Verbindung des Alten und des
damals Neuen kann auch heute Beispiel für den Umgang mit Überliefertem, seiner Bewahrung und Pflege sein. Das Bewahrungswürdige zu achten, muss eben nicht bedeuten, sich anspruchsvollem Neuem zu Verweigern, auch dann nicht, wenn dafür gewohnte Sichtweisen verändert werden.

Gibt es aus städtebaulicher Sicht eine Stadt, die Sie – außer Trier – besonders interessiert?

Maastricht. Altes und Neues muss auch dort verbunden werden. Maastricht liegt am Fluss und hatte und hat strukturelle Wandlungsprozesse zu gestalten. Wie das dort geschieht, ist hoch interessant. Man kann sehr viel lernen.   

Wie gehen Sie mit Kritik um?

Kritik ist ja nichts Verwerfliches. Schön, es gibt sicher Menschen, die lieber begleitet von Lobeshymnen weiter in eine falsche Richtung fahren wollen, als durch rechtzeitige Kritik auf einen Fehler hingewiesen zu werden. Dazu gehöre ich nicht. Beleidigungen und Pöbeleien allerdings, die gelegentlich anonym oder unter Pseudonym im Internet vorgetragen werden, sind keine Kritik, sondern Beispiele bedauerlichen Benehmens.

Welche Projekte waren Ihnen in den vergangenen fünf Jahren besonders wichtig?

Wenn Sie ein kommunales Wahlamt auf Zeit antreten, übernehmen Sie laufende Vorhaben, initiieren neue, von denen Sie einige eventuell noch in Ihrer Wahlperiode abschließen können. Andere übergeben Sie wiederum an den oder die nächste in der Reihe. Damit will ich sagen, dass nicht mit jedem Wechsel in Ämtern  das Rad neu erfunden werden kann und sollte. Eine Stadt braucht in den strategischen Ausrichtungen ihrer Entwicklung  auch Kontinuität. Es sei denn, Sie halten Hüpfen auf der Stelle für Fortbewegung. Dies vorausgeschickt, nenne ich die Fortschritt der Vorhaben Castelnau in Feyen-Weismark und vor allem die Entwicklung in Trier West. Neben vielen anderen Maßnahmen sind diese für die weitere Entwicklung von herausragender Bedeutung.

Trier steht jetzt vor der entscheidenden Phase zur Verabschiedung eines neuen Flächennutzungsplans. Da stehen sicher noch manche Auseinandersetzungen an ...

Wir haben nur begrenzte räumliche Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Stadtgebiets. Wollen wir dem wachsenden Druck auf dem Grundstücks- und Wohnungsmarkt begegnen, müssen wir uns der Tatsache stellen, dass wir den Kuchen nicht gleichzeitig essen und behalten und ein Grundstück nur einmal nutzen können. Entweder, um das deutlich zu machen, für Wohnungsbau oder für eine Freizeiteinrichtung. Ich gebe in den nächsten Wochen, nachdem seit 35 Jahren daran gearbeitet worden ist, einen Entwurf in die Gremien, danach in die öffentliche Beteiligung. Die Vorschläge sind fachlich und sachlich abgewogen und durchdacht, gleichwohl kann man auch andere Schwerpunkte als die vorgeschlagenen setzen. Aber wir leben nicht mehr in den märchenhaften Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat. Trier ist kein Kuchenteig, den man ausrollen kann. In jedem Fall gilt: Damit Trier sich entwickeln kann, müssen Entscheidungen getroffen und nicht weitere 35 Jahre vermieden werden.

Im November letzten Jahres wurden in einem Workshop unter Beteiligung von Experten und Bürgern  Anforderungen und inhaltliche Schwerpunkte für eine Neugestaltung des Römerbrückenumfeldes erarbeitet. Wie ist der Stand der Dinge?
   
Noch in diesem Jahr wird nach dem Beschluss des Stadtrats ein Wettbewerb zur Gestaltung von Römerbrücke und Umfeld ausgelobt. Grundlage ist ein Verkehrsgutachten. Wir wissen, dass die hohe Verkehrsbelastung der Gestaltung von Brücke, Brückenköpfen und dem Umfeld enge Grenzen setzt. So wird auch der Wettbewerb  kurzfristige und längerfristige Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Ermöglicht wird dieses Verfahren, weil eine Bewerbung der Stadt Trier zur Auslobung des städtebaulichen Wettbewerbs für die Römerbrücke im Rahmen des „Investitionsprogramms nationale Welterbestätten“ den Zuschlag erhalten hat. Es stehen uns nun für die Durchführung des Wettbewerbs 300 000 Euro zur Verfügung, die zu 90 Prozent aus Mitteln des Bundes und des Landes gefördert werden. Die  Neugestaltungsvorschläge sollen Aussagen treffen, wie die Römerbrücke und ihr Umfeld noch mehr als bisher zu einem attraktiven, erlebbaren und nutzbaren Teil der Stadt werden können, der dem historischen Stellenwert gerecht wird. Wesentlich ist für uns die Aufwertung und Verknüpfung der Moseluferbereiche mit der Römerbrücke und dem angrenzenden Stadtraum. Ich nenne dazu die Stichworte Freizeit, Naherholung, Tourismus und innerstädtische Mobilität. Insgesamt ist dieser Ansatz ein Aspekt zum Thema „Stadt am Fluss“.

Welche Projekte möchten Sie noch bis zum Ablauf Ihrer Wahlperiode auf den Weg bringen?

Die Umsetzung der Gedanken des Masterplans Trier-West, also auch die Umwandlung des Geländes der ehemaligen Edeka-Halle, in der übergangsweise ein Skater-Betrieb seitens der Stadt als Eigentümer geduldet wird, die Neugestaltung des Geländes der ehemaligen Kabinenbahn. Konversion Castelnau, Trier-West, Castel Feuvrier in Trier Nord, werden als große städtebauliche Entwicklungen die Struktur der Stadt verändern. Hierbei die richtigen Prioritäten zu setzen, den Blick auf die nächsten Jahrzehnte und nicht nur die nächsten Facebook-Abstimmungen zu richten, das ist mein wichtigstes Anliegen in den nächsten drei Jahren.