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21.01.2020

Jede siebte Frau wurde schon zum Opfer

Elke Kirsch (Klinikoberin im Mutterhaus), Nicole Kürten (Trägerverein Frauennotruf), Frauenministerin Anne Spiegel, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Bürgermeisterin Elvira Garbes, Frauenbeauftragte Angelika Winter sowie weitere Vertreter der Klinik und des Notrufs.
Elke Kirsch, Klinikoberin im Mutterhaus, und Nicole Kürten (Trägerverein Frauennotruf, vorne v. l.) freuen sich über den Vertrag. Mit dabei sind Frauenministerin Anne Spiegel und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (hinten 2. und 3. v. l.), Bürgermeisterin Elvira Garbes (r.), Frauenbeauftragte Angelika Winter (l.) sowie weitere Vertreter der Klinik und des Notrufs.

Nach einer Vergewaltigung stehen betroffene Frauen und Mädchen unter Schock, empfinden aber oft auch Scham. Viele wollen die Spuren an ihrem Körper so schnell wie möglich beseitigen. Das erschwert aber oft die Ermittlungen, weil schon kleinste Spuren wertvollste Hinweise geben können. Um die Soforthilfe zu verbessern und wenn gewünscht enger mit der Strafverfolgung zu verzahnen, wird in Trier ein neues Angebot aufgebaut. Eine Zahl zeigt, wie groß der Bedarf ist.

Jede siebte Frau wird im Laufe ihres Lebens Opfer eines sexuellen Übergriffs, oft mit schweren Folgen. Rund 70 Prozent dieser Straftaten passieren im häuslichen Umfeld. Nach einem Modell aus Frankfurt entstehen seit 2018 in Rheinland-Pfalz standardisierte Versorgungsstrukturen, die betroffenen Frauen und Mädchen den Zugang zur medizinischen Versorgung erleichtern – verbunden mit dem Angebot einer vertraulichen Spurensicherung. Die Umsetzung startete in Mainz und Worms, Koblenz folgte 2019. Letzten Freitag wurde die Vereinbarung für Trier im Beisein von Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Frauenministerin Anne Spiegel und Bürgermeisterin Elvira Garbes von Vertreterinnen des Mutterhauses und des Frauennotrufs unterzeichnet.

Dreyer begrüßt das Projekt: „Durch das großartige Engagement aller Beteiligten können wir Frauen in Krisensituationen deutlich besser unterstützen. Das Projekt berücksichtigt die extrem belastende Situation, in der sich betroffene Frauen und Mädchen gerade unmittelbar nach der Tat befinden. Damit erhalten auch diejenigen, die keine Anzeige erstatten, eine qualitativ hochwertige standardisierte medizinische Versorgung, die ihre besonderen Bedürfnisse im Blick hat. Zudem besteht die Möglichkeit, die Spuren der Tat vertraulich zu sichern, falls sie sich später doch für eine Anzeige entscheiden. Besonders wichtig ist auch die psychosoziale Begleitung, bei der dem Frauennotruf besondere Bedeutung zukommt."

Spiegel ergänzt: „Die Erfahrungen zeigen, dass sich Frauen nach einer Vergewaltigung nur selten jemandem anvertrauen oder Hilfe in Anspruch nehmen. Genau das soll unser Projekt ändern: Wir nehmen Frauen den Druck, Anzeige zu erstatten und ermöglichen ihnen trotzdem erstklassige medizinische Hilfe." In Mainz sei das Angebot „sehr schnell sehr gut angenommen" worden.

Projektpartner sind das Mutterhaus und der Trägerverein Solidarität, Intervention, Engagement (S.I.E.) des Frauennotrufs. Er übernimmt bei dem Projekt, das mit Unterstützung der städtischen Frauenbeauftragten Angelika Winter zustande kam, diverse organisatorische Aufgaben. Dazu gehören die Schulung der Ärzte, die Übermittlung der Ergebnisse der Spurensicherung an die Rechtsmediziner sowie die Öffentlichkeitsarbeit.

Ruth Petri (Frauennotruf) wies unter anderem darauf hin, dass immer die Frauen selbst entscheiden müssten, ob sie Anzeige erstatten wollen. Sie bedankte sich beim Mutterhaus, das bereit sei, diesen „Paradigmenwechsel" mitzutragen und bei der Frauenbeauftragten für die Idee, das Vorhaben im Rahmen einer größeren Veranstaltung auf den Weg zu bringen. Jetzt beginnen die Vorbereitungen für das neue Projekt, das in einigen Monaten starten soll. Anlaufstelle ist die Gynäkologie im Mutterhaus (Feldstraße). Weitere Informationen gibt es online: www.soforthilfe-nach-vergewaltigung.de.

Petra Lohse