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25.09.2018

Im Schatten des Vaters

Eleanor Marx
Eleanor Marx.
Karl Marx war nicht nur Revolutionär und Universalgelehrter, der unzählige Bücher las und mit dem Kommunistischen Manifest im wahrsten Sinne Geschichte schrieb. Er war auch Vater und Familienmensch. Die Rathaus Zeitung stellt seine drei Töchter Jenny, Laura und Eleanor vor. Im dritten und letzten Teil der Serie steht seine jüngste Tochter Eleanor, auch „Tussy" genannt, im Mittelpunkt, deren Leben ein tragisches Ende nahm.

Eleanor Marx, geboren 1855 in London, wuchs zum Liebling ihres Vaters heran. Dieser nahm sie als Gesprächspartnerin ernst und sie begleitete ihn zu Kuren und Kongressen. Mehr noch: Wie bereits ihre Mutter Jenny stellte auch Tussy ihr Leben in den Dienst ihres berühmten Vaters. Da dieser während der Krankheit von Jenny ab 1880 eine Sekretärin brauchte, stellte Eleanor ihren Berufswunsch als Schauspielerin zurück und wurde die Sekretärin ihres Vaters: Sie erledigte seine Korrespondenz, ordnete Bücher und Manuskripte, übersetzte seine Texte ins Englische und dolmetschte für ihn. Marx war zufrieden, dass seine jüngste Tochter an seiner Seite wirkte. Er finanzierte ihr jedoch keine Ausbildung und wehrte sich gegen eine Verlobung mit dem französischen Kommunisten Prosper-Olivier Lissagaray. Ein Versuch, sich als junge Erwachsene abzunabeln scheiterte, als ihre ältere Schwester ihr erstes Kind erwartete. Eleanor – die als Lehrerin in einem Mädchenpensionat arbeitete – wurde nach Hause gerufen und kam der Bitte nach. Dort lebte sie zwischen Familienarbeit und der Teilnahme an revolutionären Bewegungen.

Erst nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1883 versuchte Eleanor, aus seinem Schatten herauszutreten. Sie profilierte sich als politische Aktivistin und stand an der Spitze der frühen englischen Gewerkschaftsbewegung, sie kämpfte für die Rechte der Arbeiterinnen, den Achtstundentag, für die allgemeine Schulpflicht und vor allem gegen die Kinderarbeit, die damals in England noch weit verbreitet war. Die Autorin Eva Weissweiler beleuchtet in ihrer im März erschienen Biografie „Lady Liberty. Das Leben der jüngsten Marx-Tochter Eleanor" auch deren politische Ansichten und Aktivitäten. Ihren Recherchen zufolge übernahm Eleanor viele Thesen ihres Vaters und setzte sich leidenschaftlich für die Verbreitung seines Werks ein – galt sie doch als dessen beste Kennerin. Sie ging jedoch auch ihre eigenen Wege, vor allem in der sogenannten „Judenfrage". Sie identifizierte sich – anders als ihr Vater – mit ihrer jüdischen Herkunft, lernte Jiddisch, hatte viele jüdische Freundinnen und Freunde und wurde zur Führerin der ostjüdischen Arbeiter im Londoner East End, die sie liebevoll „our mother" nannten.

Produktive Publizistin

Im Milieu der Sozialistischen Internationale aufgewachsen, schrieb Eleanor Marx viele Artikel in englischen, deutschen und französischen Zeitschriften, ob über nationale Befreiungsbewegungen in Russland und Irland, die Pariser Kommune, die Arbeiterklasse in Amerika oder die Geschichte der englischen Arbeiterbewegung. Außerdem übersetzte sie norwegische und französische Literatur ins Englische, darunter Dramen von Henrik Ibsen und Gustave Flauberts „Madame Bovary". Auf Kongressen war sie eine gefragte Simultan- Übersetzerin, die allerdings auch sehr streitbar war und sich besonders gern mit den Anarchisten anlegte.

Obwohl diese gutaussehende Frau sehr beliebt war und sogar von ihren Feinden als brillante politische Rednerin respektiert wurde, litt sie seit ihrer Jugend unter immer wiederkehrenden Depressionen, für die es damals noch keine Heilung gab. Auch gibt es Hinweise darauf, dass sie magersüchtig war. Ihre langjährige Beziehung zu dem englischen Naturwissenschaftler, Theaterautor und Sozialisten Edward Aveling war sehr unglücklich. Er betrog sie, machte Schulden und demütigte sie in der sozialistischen Welt. Nach dem Tod ihres väterlichen Freundes Friedrich Engels musste sie sich einem zermürbenden Kampf um den väterlichen Nachlass stellen, den August Bebel ihr zu entziehen und der Sozialdemokratischen Partei zu sichern gedachte. Erschöpft von all diesen Krisen und Katastrophen setzte sie ihrem Leben am 31. März 1898 mit erst 43 Jahren ein Ende.