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19.03.2019

Illegale Prostitution stärker im Kontroll-Fokus

Angelika Winter
Angelika Winter.

In einem aktuellen RaZ-Interview anlässlich der Vorstellung ihres Jahresberichts 2018 im Steuerungsausschuss erläutert die städtische Frauenbeauftragte Angelika Winter ihre Einschätzung zur Entwicklung der Prostitution im Stadtgebiet.

RaZ: In Ihrem Bericht 2018 nimmt erneut das Thema Prostitution einen breiten Raum ein. Warum war dieser Schwerpunkt wieder erforderlich?

Winter: Weil wir als Kommunen mit Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes am 1. Juli 2017 eine absolut neue Pflichtaufgabe bekommen haben. Diese musste in der Verwaltung möglichst frühzeitig abgestimmt werden, weil alle vier Dezernate betroffen sind. Deswegen habe ich nach dem Auftrag durch den Stadtvorstand diesen Abstimmungsprozess moderiert, um die Herausforderung fristgerecht zu bewältigen. Gemeinsam mit dem Ordnungs- und dem Sozialamt, dem Amt für Bauen, Umwelt und Denkmalpflege sowie dem Gesundheitsamt der Kreisverwaltung Trier-Saarburg wurden die vorhandenen Strukturen dargestellt und sinnvoll mit den Anforderungen aus dem neuen Gesetz verknüpft.

Wie fällt Ihre erste Bilanz zur Umsetzung des Gesetzes aus, das mit den Anmeldeverfahren und der Gesundheitsberatung neue Pflichtaufgaben für die Verwaltung vorsieht?

Positiv ist, dass die Bordelle erstmals durchleuchtet werden. Dabei geht es zum Beispiel um Fluchtwege und den Brandschutz sowie die Trennung von Schlaf- und Arbeitsräumen der Prostituierten in den Bordellen. Ein Betrieb muss sich nun erstmals einem Genehmigungsverfahren unterziehen. Zur Vorlage eines Betriebskonzepts gehört ebenso eine Zuverlässigkeitsprüfung des Betreibers oder der Betreiberin. Es war höchste Zeit, dass es eine Änderung gab, weil dieser Bereich so undurchsichtig war, ein völlig unregulierter Markt, in dem viel Geld verdient wird. Durch die von uns finanzierte Sozialarbeit mit den Prostituierten hatten wir zwar vorher auch schon Einblicke, aber das reichte nicht aus.

Was läuft noch nicht so gut?

Die verpflichtende Gesundheitsberatung sehe ich eher kritisch, bei vielen der Frauen gibt es enormen Frust. Viele sind aufgeklärt und fühlen sich stigmatisiert durch den Zwang, zur Beratung gehen zu müssen. Besser wäre es gewesen, mehr Geld in die soziale Beratungsarbeit zu investieren, die die Frauen in Anspruch nehmen können. Derzeit gibt es die unabhängige, freiwillige Beratung mit einer Sozialarbeiterin beim Gesundheitsamt. Sie hat sich bei den Frauen ein großes Vertrauen erarbeitet. Die bereits informierten Frauen melden sich dort, aber wir haben eine wachsende Zahl von Prostituierten, die in die Illegalität abrutschen. Um sie müssen wir uns viel mehr kümmern.

Wie klappt die Kooperation zwischen den städtischen Ämtern und dem Gesundheitsamt der Kreisverwaltung?

Es läuft gut, auch weil wir die vorher bestehenden Strukturen früh aus den verschiedenen Perspektiven zusammengeführt haben. Für das Ordnungsamt entstand mit dem Prostituiertenschutzgesetz eine ganz neue Aufgabe. Erstmals wurde eine Sozialarbeiterin für die Anmeldegespräche mit den Prostituierten eingestellt. Der ordnungs- und der sozialpolitische Ansatz wurden zusammengeführt. Außerdem hat das Land festgeschrieben, dass die verpflichtende Gesundheitsberatung im Gesundheitsamt stattfinden soll. Dort ist aber als Trierer Besonderheit gleichzeitig die freiwillige Beratungsstelle ansässig. Diese strukturelle Verknüpfung ist ungünstig. Einerseits erfüllt man einen Gesetzesauftrag, andererseits hat man den Auftrag eine freiwillige, vertrauensbildende und anonyme Beratung zu schaffen. Ich finde dafür eine Trennung besser, zumal wir in Trier geeignete freie Träger für eine aufsuchende Sozialarbeit haben.

Kürzlich veröffentlichte die Bundesregierung eine Bilanz zum Gesetz. Moniert wird, dass viele Prostituierte bei der Meldung für die Sozialversicherung einen anderen Beruf angeben, um anonym arbeiten zu können. Teilen Sie die Einschätzung, dass so ein Schutz vor Zwangsprostitution nicht erreicht wird?

Es ist sehr schwierig, Prostituierte, die gesellschaftlich nicht anerkannt und oft in eine Schmuddelecke gestellt sind, durch ein Bundesgesetz zu schützen. Dass viele der Frauen vor diesem Hintergrund nicht selbstbewusst zu ihrer Tätigkeit stehen, kann ich daher sehr gut verstehen.

Wie sieht es aus mit dem Schutz vor Zwangsprostitution?

Es ist noch zu früh, eine Bewertung abzugeben, ob das Gesetz eine Verbesserung bringt. Gut ist, dass die Kontrollen der Polizei und des Ordnungsamts zugenommen haben. Das erhöht die Chance, mehr Licht ins Dunkel zu bringen und Menschenhandel aufzudecken. Die Transparenz kann natürlich auch dazu führen, dass sich die Frauen in ihrer Arbeit bloßgestellt fühlen. Die Angst davor, sich als Prostituierte anzumelden, ist in diesem Milieu relativ groß. Ich habe mich daher auch bundesweit dafür eingesetzt, eher mehr Geld in die Förderung freier Beratungsstellen zu investieren und die aufsuchende Sozialarbeit zu verstärken.

Anfang letzten Jahres wurden die langjährigen Bemühungen unter Ihrer Federführung zur Eindämmung der Prostitutionswerbung erfolgreich abgeschlossen. Hat sich damit die Wahrnehmung dieses Themas verändert?

Das Image der Stadt hat sich verbessert. Ich werde von Frauen und Männern immer wieder angesprochen, wie froh und dankbar man ist, dass wir uns dieses Problems angenommen haben. Das Prostituiertenschutzgesetz hat uns letztlich dafür den Hebel gegeben.

Wo sehen Sie weiteren Handlungsbedarf?

Vor allem beim Straßenstrich: Zum Beispiel an der Ruwerer Straße arbeiten die Frauen unter unhaltbaren Bedingungen. Es gibt nicht einmal eine Toilette oder einen Wohnwagen, wo sie sich einen Tee kochen können, geschweige denn einen Mülleimer für benutzte Kondome. Zudem kommt es immer wieder zu Pöbeleien mit Anwohnern. Ein positives Beispiel ist Köln, wo es sogenannte „Verrichtungsboxen“ gibt. Generell sind wir als Großstadt verpflichtet, Straßenprostitution zuzulassen.

Das Gespräch führte Petra Lohse