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05.09.2017

Haus des Gebets und der Geborgenheit

OB Wolfram Leibe, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Avadislav Avadiev, Vorsitzender des Landesverbands jüdischer Gemeinden, und Jeanna Bakal, Vorsitzende der Trierer Gemeinde (v. r.), zählten zu den ersten Besuchern der von Ralf Kotschka (l.) gestalteten Ausstellung „Jüdisches Trier“.
OB Wolfram Leibe, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Avadislav Avadiev, Vorsitzender des Landesverbands jüdischer Gemeinden, und Jeanna Bakal, Vorsitzende der Trierer Gemeinde (v. r.), zählten zu den ersten Besuchern der von Ralf Kotschka (l.) gestalteten Ausstellung „Jüdisches Trier“.
Sie ist ein Haus des Gebets und des Unterrichts, aber auch ein Ort der Gemeinschaft und Geborgenheit: Die Trierer Synagoge in der Kaiserstraße ist das sichtbare Symbol, dass die jüdische Gemeinde mitten in der Stadtgesellschaft verankert ist. Den 60. Jahrestag ihrer Einweihung feierte die Gemeinde am Sonntag mit zahlreichen Ehrengästen und einer Ausstellung zur wechselvollen und faszinierenden Geschichte der Juden in Trier.

Schon ein Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und obwohl mehrere hundert Juden aus der Region von den Nazis in Auschwitz ermordet worden waren, wurde die jüdische Gemeinde in Trier neu gegründet. Ministerpräsidentin Malu Dreyer erinnerte in ihrer Ansprache bei der Geburtstagsfeier in der überfüllten Synagoge an die „14 tapferen Menschen“, die trotz allem in ihre Heimatstadt zurückkehrten und sich der mühevollen Aufgabe widmeten, die Gemeinde wieder zu beleben. „Seitdem konnten jüdisches Leben und jüdische Tradition ganz langsam wieder erblühen.“

Es sei kaum vorstellbar, „wieviel Mut, wieviel Zuversicht“ der erste Gemeindevorsteher Dr. Heinz Kahn, ein Überlebender des KZ Buchenwald, und seine Mitstreiter in den wenigen Familien in dieser Situation aufbrachten, betonte Oberbürgermeister Wolfram Leibe in seinem Grußwort. Zumal die alte Synagoge in der Zuckerbergstraße während des Pogroms von 1938 demoliert und bei einem Luftangriff 1944 zerstört worden war. Der Neubau nach Plänen des Architekten und Stadtbaurats Alfons Leitl, der auch die Stadtbibliothek Weberbach entworfen hat, wurde 1957 eingeweiht. „Sie ist ein Mittelpunkt –

einerseits für die Gemeindemitglieder, aber es ist auch gut und richtig, dass sie mitten in der Stadt und nicht am Rand errichtet wurde“, unterstrich Leibe. Prof. Martin Przybilski, Gemeindemitglied und Vizepräsident der Uni Trier, bezeichnete die Synagoge in seinem Festvortrag als „ein architektonisches Juwel dieser Stadt, eine sehr gut gelungene Mischung aus Moderne und Traditionsbewusstsein“.

Vergangenheit und Zukunft

Im Anschluss an die Feier eröffnete Gemeindevorsitzende Jeanna Bakal im Gemeindesaal die Ausstellung „Jüdisches Trier“, die mit Schautafeln, Videos und zahlreichen Bilddokumenten die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Gemeinde dokumentiert. Kurator Ralf Kotschka hat die Zeugnisse der unterschiedlichen Epochen in zweijähriger Arbeit zusammengetragen und aufgearbeitet.

Es wird vermutet, dass bereits in der Antike Juden in Trier gelebt haben. Ihre erste Blütezeit erlebte die Gemeinde vom 11. bis ins 14. Jahrhundert: Das mittelalterliche Judenviertel in unmittelbarer Nähe des Hauptmarkts zählte rund 300 Einwohner. Es gab eine Synagoge und ein rituelles Kellerbad. Jäh unterbrochen wurde diese Tradition durch den Pogrom des Jahres 1349 im Zusammenhang mit der großen europäischen Pestepidemie. Wie in vielen anderen Städten wurden auch in Trier die Juden für die Ausbreitung der Krankheit verantwortlich gemacht und vertrieben. In den folgenden Jahrhunderten siedelten sich nur sporadisch Juden in der Stadt an, ihre Berufsausübung war gemäß der kurfürstlichen Judenordnung eingeschränkt,  wenn ihnen der Aufenthalt in Trier nicht sogar ganz untersagt wurde. Erst infolge der französischen Revolution erlangten sie die rechtliche Gleichstellung. Das städtische jüdische Leben konnte sich neu entfalten – bis zur Verfolgung und fast vollständigen Vernichtung ab 1933.

Ob es in Trier wieder dauerhaft eine jüdische Gemeinde geben würde, war lange Zeit unsicher, denn die Zahl der Gemeindemitglieder ging Ende der 1970er Jahre auf unter 50 zurück. Bis heute hat die Gemeinde keinen eigenen Rabbiner. Erst die Zuwanderung der sogenannten Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion stabilisierte die Mitgliederzahl dauerhaft. Sie liegt heute bei 466.