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12.06.2018

Gemeinsam in den Tod

Die Marx-Töchter Jenny (l.) und Laura auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1858.
Die Marx-Töchter Jenny (l.) und Laura auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1858. Foto: akg-images

Karl Marx war nicht nur Revolutionär und Universalgelehrter, der unzählige Bücher las und mit dem Kommunistischen Manifest im wahrsten Sinne Geschichte schrieb. Er war auch Vater und Familienmensch. Die Rathaus Zeitung stellt seine drei Töchter Jenny, Laura und Eleanor vor. Im zweiten Teil der Serie steht Laura im Mittelpunkt.

Die mittlere Tochter von Karl und Jenny Marx wird am 26. September 1845 in Brüssel geboren. Ebenso wie ihre Schwestern ist auch Laura überdurchschnittlich begabt und sehr gebildet. Marx ist seinen Töchtern ein warmherziger und sensibler Vater – keine Selbstverständlichkeit in bürgerlichen Familien des 19. Jahrhunderts. Jedoch nahm er sich auch die Freiheit heraus, sich in Entscheidungen in Lauras Leben einzumischen.

Dämpfer für den Bräutigam

1866, im Alter von 21 Jahren, lernt sie Paul Lafargue kennen und lieben, einen radikalen französischen Studenten. Er lebt in England im Exil und gehört der Internationalen Arbeiterassoziation an. Dem erwartungsvollen Bräutigam versetzt Marx jedoch einen Dämpfer, als er folgende Zeilen an ihn richtet: „Wenn Sie Ihre Beziehungen zu meiner Tochter fortsetzen wollen, werden Sie Ihre Art ‚den Hof zu machen‘ aufgeben müssen. [...]. Meiner Meinung nach äußert sich wahre Liebe in Zurückhaltung, Bescheidenheit und sogar in der Schüchternheit des Verliebten gegenüber seinem Idol, und ganz und gar nicht in Gemütsexzessen und in einer zu frühen Vertraulichkeit. [...]. Falls Sie Ihre Liebe zu ihr nicht in der Form zu äußern vermögen, wie es dem Londoner Breitengrad entspricht, werden Sie sich damit abfinden müssen, sie aus der Entfernung zu lieben." Klare Worte des großen Philosophen, der auch noch finanzielle Fragen anspricht: „Vor der endgültigen Regelung Ihrer Beziehungen zu Laura muss ich völlige Klarheit über Ihre ökonomischen Verhältnisse haben. Sie wissen, dass ich mein ganzes Vermögen dem revolutionären Kampf geopfert habe. Ich bedauere es nicht. Im Gegenteil: Wenn ich mein Leben noch einmal beginnen müßte, ich täte dasselbe. [...]."

Ungeachtet der Widerstände des Brautvaters heiraten Laura und Paul im Frühjahr 1868. Die Hochzeit wird im Wesentlichen durch Trauzeuge und Marx‘ Freund Friedrich Engels finanziert, da sich Marx‘ Befürchtungen, das Einkommen des jungen Franzosen betreffend, bewahrheiten. Wie Marx-Biograf Jürgen Neffe in seinem 2017 erschienenen Buch schreibt, besitzt Lafargue kein Vermögen, beendet sein Medizinstudium nicht und versucht sich ohne Erfolg im Lithografiegewerbe. Also bittet Laura – ebenso wie ihre Eltern – den wohlhabenden Friedrich Engels um finanzielle Unterstützung, die dieser auch gewährt.

Tragische Familiengeschichte

Wenige Monate nach der Hochzeit entzieht sich Laura der väterlichen Sphäre und geht mit ihrem Mann nach Paris. Am 1. Januar 1869 bringt sie Charles zur Welt, der aufgrund seines großen Milchdursts bald nur noch „Schnaps" oder „Schnappy" genannt wird. Ein Jahr später kommt Baby Jeanne zur Welt. Es stirbt jedoch wenige Wochen nach seiner Geburt.

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 und die Belagerung von Paris veranlassen die Familie dazu, aus Paris nach Bordeaux zu flüchten. Ende Januar 1871 kommt auf der Flucht Marc-Laurent zur Welt. Doch auch ihm ist kein langes Leben vergönnt – er stirbt nach einem halben Jahr. Ein Jahr später erkrankt auch der erste Sohn „Schnappy" und stirbt mit dreieinhalb Jahren. Das nun kinderlose Paar bekommt keinen weiteren Nachwuchs mehr. Biograf Neffe schreibt über diese „existenziellen Extremsituationen": „Der Tod ist ein ständiger Begleiter. Lange Leidensphasen, unheilbare Krankheiten, plötzlicher Verlust. Aber das Leben geht weiter."

Für Laura und Paul Lafargue endet ihr Leben nach einem Opernbesuch in der Nacht vom 25. auf dem 26. November 1911, als sie gemeinsam Selbstmord begehen, weil sie ihren eigenen Verfall nicht erleben und niemandem zur Last fallen wollen, wie es in ihrem Abschiedsbrief heißt. 15.000 Menschen begleiten den Trauerzug zu einem Friedhof in Paris. Am Grab der beiden spricht im Namen der russischen Sozialdemokratie ein Mann namens Wladimir Iljitsch Uljanow – besser bekannt als Lenin.