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16.10.2012

Geglückte Normalität nach schwierigem Start

In der Wendezeit prägten regelmäßige Bürgerdemonstrationen das politische Leben in Weimar. Dabei wuchs auch der Partnerschaft mit Trier eine neue Rolle zu.
In der Wendezeit prägten regelmäßige Bürgerdemonstrationen das politische Leben in Weimar. Dabei wuchs auch der Partnerschaft mit Trier eine neue Rolle zu.
Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov war jeder fünfte Westdeutsche auch 23 Jahre nach dem Fall der Mauer noch nie in den neuen Ländern. Durch Unkenntnis und Desinteresse entstehen leicht ungerechtfertigte Vorurteile, die sich am besten überwinden lassen durch regelmäßige Begegnungen. Eine zentrale Rolle spielten dafür vor allem direkt nach der Wende deutsch-deutsche Städtepartnerschaften.

Das neue Buch des früheren Oberbürgermeisters Helmut Schröer und des Journalisten Dieter Lintz dokumentiert eindrucksvoll, warum das vor 25 Jahren gestartete Tandem Trier-Weimar trotz eines schwierigen Starts und mancher Durststrecke nach dem Abklingen der ersten Euphorie überlebt hat und damit fast eine Rarität ist. Der fast 250 Seiten dicke Band „Trier – Weimar: eine deutsche Städtepartnerschaft“ ist den Bürgerinnen und Bürgern beider Städte gewidmet. Die Partnerschaft habe zwar mittlerweile andere Schwerpunkte, aber kaum an Intensität eingebüßt, weil „es gelungen sei, den Bürger in den Mittelpunkt zu stellen.“
 
Dass Offenheit und Freiheit nicht selbstverständlich sind, zeigt sehr eindrucksvoll die Phase vor der Wende, als das SED-Regime persönliche Kontakte systematisch unterband. Schröer, der neben dem bis April 1989 amtierenden OB Felix Zimmermann auf Trierer Seite eine zentrale Rolle bei der Anbahnung der Partnerschaft spielte, erinnert sich mit Schrecken an den menschenleeren Weimarer Markt und eine „Stadt ohne Bürger“.

Für die schwierigen ersten zwei Jahre, die Wende zu einer echten Bürger-Partnerschaft sowie den historischen Bogen bis in die Gegenwart zeichnet das Buch ein sehr differenziertes Bild mit aufschlussreichen Details. Es ist nicht zuletzt dank der Insiderinformationen von Schröer auch für Leser lohnenswert, die sich schon intensiv mit der Partnerschaft beschäftigt haben oder in der einen oder anderen Form selbst involviert waren. Bewegende Schilderungen der herzlichen Begegnungen nach dem Mauerfall und vielfacher Trierer Solidarität beim Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung oder der Erneuerung des historisch einzigartigen Weimarer Stadtbilds sind Höhepunkte. Eine anschauliche Ergänzung und Vertiefung erfahren die Rückblicke durch extra eingefügte Zitate damaliger Akteure und Originaldokumente, die nicht zuletzt die Allgegenwart der Stasi-Krake vor der Wende nachhaltig in Erinnerung rufen.

Keine gönnerhafte Attitüde

Der Jubiläumsband bietet aber auch Jugendlichen interessanten Lesestoff, die sich mit der Partnerschaft vertraut machen wollen. Diese Zielgruppe zu erreichen, ist Schröer besonders wichtig: Bei Schulbesuchen mit dem ehemaligen Weimarer Amtskollegen Dr. Volkhardt Germer habe er mehrfach erlebt, wie weit entfernt vom Alltag der Jugendlichen dieses Thema 23 Jahre nach der Wende ist.

Da die Freundschaft nur als Verbindung der Bürger eine Zukunft habe, hebt Schröer die herausragende Rolle der Partnerschaftsgesellschaften mit ihren Vorsitzenden Elisabeth Ruschel (Trier) und Elke Mohnhaupt-Schmidt (Weimar) hervor. Für Lintz, der als Journalist einige Reisen nach Weimar begleitete, liegt ein Erfolgsgeheimnis  darin, dass die Trierer bei zahlreichen Solidaritätsaktionen nie die gönnerhafte Attitüde mancher Wessis gezeigt hätten. Die Freude über das historische Wunder der Wende habe das Bild geprägt  und über so manche Schwierigkeit hinweggeholfen. Im letzten Abschnitt des Rückblicks und im zweiten, von Lintz verfassten Teil „Gesichter der Partnerstadt“ werden auch kritische Töne angeschlagen und Perspektiven einer Weiterentwicklung im Verbund mit internationalen Städtefreundschaften aufgezeigt.
 
Das Spektrum der Porträts reicht vom früheren Trierer OB Zimmermann, der sich Weimar als Kulturliebhaber besonders verbunden fühlt, über die Bürgerrechtler Andreas Langer und Rudolf Keßner, den engagierten Friedensarbeiter Thomas Zuche, Weimars früheren OB Germer als „Wanderer zwischen den Welten“ bis zum ehemaligen Trierer Baudezernenten Hans Petzhold. Er unterstützte aus dem Ruhestand heraus  nachhaltig die Weimarer mit seinem großen Expertenwissen.
  • „Trier – Weimar: eine deutsche Städtepartnerschaft“, von Helmut Schröer und Dieter Lintz, Paulinus-Verlag Trier, ISBN: 978-3-7902-1638-7.