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17.04.2018

Für Opfer ist er die Wurzel des Übels

In der Kunstakademie wird über die Karl-Marx-Statue diskutiert.
In der Kunstakademie wird über die Karl-Marx-Statue diskutiert. Der Veranstaltungstitel „Ein vergiftetes Geschenk?“ hat allerdings überwiegend Gegner des Geschenks aus China mobilisiert.

Soll man Karl Marx in Deutschland heute würdigen? Ist die Karl-Marx-Statue ein „vergiftetes Geschenk" aus China? Diesen Fragen ging eine Podiumsdiskussion in der Europäischen Kunstakademie nach. Das Podium war allerdings recht einseitig besetzt.

Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen erinnert in den Räumen einer ehemaligen Haftanstalt der Staatssicherheit an Terror und Gewalt, unter denen Menschen in kommunistischen Ländern jahrzehntelang gelitten haben. Der Blick dieser Opfer von diktatorischen Regimen auf die Figur Karl Marx ist ein gänzlich anderer als der, der in der Stadt Trier derzeit mit der Karl-Marx-Ausstellung und der Karl-Marx-Figur zu leisten versucht wird. Für viele politisch Verfolgte und Opfer der kommunistischen Diktaturen sind Marx und seine Werke die Wurzel allen Übels. Das zeigte sich in der Diskussionsveranstaltung, zu der die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen in Trier am vergangenen Montag eingeladen hatte. Baudezernent Andreas Ludwig, der für die Stadt Trier auf dem Podium saß und die Entscheidung des Stadtrates für die Annahme des Karl-Marx-Geschenks durch China verteidigte, hatte einen schweren Stand – wenig verwunderlich angesichts eines Podiums, das einschließlich des Moderators ansonsten nur mit Gegnern der Statue besetzt war.

Ludwig: „Marx nicht glorifizieren"

Ludwig äußerte großes Verständnis für die Position der Menschen, die unter kommunistischer Herrschaft gelitten hatten und berichtete von seinen vielen Kontakten in Ostdeutschland, die er unter anderen in seiner Zeit als Baudezernent in Eisenach geknüpft hatte. Die Karl-Marx-Statue sei aber ein Geschenk der Freundschaft Chinas an die Stadt Trier, sagte Ludwig.

Es gehe weder mit der Statue noch mit der anstehenden großen Landesausstellung darum, Karl Marx zu verherrlichen oder Propaganda für China zu machen. „Wir wollen Marx nicht glorifizieren, sondern uns mit dem Thema auseinandersetzen", sagte Ludwig. Ziel sei auch, mit Chinesen ins Gespräch zu kommen, nicht den Kontakt mit China zu verlieren.

Ludwig berichtete von seinen Begegnungen in China beim Besuch beim Bildhauer Wu Weishan und vom Besuch in Triers Partnerstadt Xiamen. Er verwies unter dem Schlagwort „Wandel durch Annäherung" auf das maßgeblich von dem SPD- Außenpolitiker Egon Bahr geprägte innerdeutsche politische Konzept in Zeiten des Kalten Krieges, das auch im Bezug auf China möglich sein müsse. Das stellten allerdings Schriftstellerin Tienchi Martin-Liao, Präsidentin des unabhängigen chinesischen P.E.N.-Clubs und Professor Christian Soffel, Sinologe (China- Wissenschaftler) an der Universität Trier, in Frage. Wandel durch Annäherung habe mit China nicht funktioniert, meinte Soffel. Das sei ein falscher Gedanke des Westens, sagte Tienchi Martin-Liao: „China ist reicher geworden, aber nicht demokratischer."

Denkmal für die Opfer?

Noch grundsätzlicher war die Kritik von Dieter Dombrowski. Der brandenburgische Landtagsabgeordnete saß als Mitglied der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft auf dem Podium. Er sei „verwundert, dass im Wohlstandswesten Karl Marx wieder aufersteht", sagte Dombrowski. Die blutigsten Diktatoren hätten sich auf die Werke von Karl Marx berufen können. Für eine Statue habe er kein Verständnis.

Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, kritisierte den absoluten Wahrheitsanspruch von Marx und schlug vor, direkt gegenüber der Marx-Statue ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus zu errichten.

Bei der anschließenden Diskussionsrunde meldeten sich mehrere Opfer und politisch verfolgte ehemalige DDR-Bürger zu Wort mit heftiger Kritik an Marx, der Statue, China, dem Stadtrat und der Stadt Trier. Für eine zweite Diskussionsrunde, bei der möglicherweise auch Unterstützer zu Wort gekommen wären, fehlte die Zeit.