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28.02.2012

Florierende preußische Weinmetropole

In der Kaiserzeit fand die alljährliche Weinversteigerung im Saal des Katholischen Bürgervereins statt.
In der Kaiserzeit fand die alljährliche Weinversteigerung im Saal des Katholischen Bürgervereins statt.
Die Stadtbibliothek und das Archiv haben sich vor allem einen Namen durch ihre Bestände an Handschriften des Mittelalters sowie zur gesamten Stadtgeschichte gemacht. Weniger bekannt ist dagegen, dass in der Weberbach aus diversen Quellen auch ein umfangreicher Bestand zur regionalen Weinwirtschaft seit dem Mittelalter entstand. Viele dieser Schätze für die Forschung sind noch nicht „gehoben“.

Die große Bedeutung der Weinwirtschaft für die Region lässt sich zum Beispiel bei einem Spaziergang durch den historischen Ortskern von Traben-Trarbach erahnen: Die prachtvollen Jugendstilvillen der Händler entstanden in der Boomphase ab etwa 1890, als Moselriesling sogar im mondänen Berliner Adlon-Hotel ausgeschenkt wurde und teilweise höhere Preise als der französische Bordeaux erzielte.

Auf der anderen Seite gab es zum Beispiel in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts eine schwere Krise, die vor allem kleine Winzer betraf und die der gebürtige Trierer Karl Marx in seiner Gesellschaftstheorie aufgriff. Vielfältige und größtenteils bisher kaum von Historikern interpretierte Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte dieser Branche liefern die Bestände von Bibliothek und Archiv. „Unsere Besonderheit ist, dass wir sowohl über die Quellen als auch die Sekundärliteratur verfügen“, erläutert Direktor Professor Michael Embach. Dazu gehören unter anderem Dokumente der für den Weinbau bedeutsamen Familie von Kesselstatt, Urkunden, Briefe, Musterbücher für Flaschenetiketten, Nachlässe, aber auch Berechnungen zum Ausschank, die Rückschlüsse auf den Weinkonsum zulassen.

Vortrag am 29. März

Die Sammlung liefert viele Belege, dass in zahlreichen regionalen Großbürgerfamilien eigene Weinberge eine Hauptquelle des Wohlstands waren. Archivar Bernhard Simon nennt als Beispiel Franz Weißebach, der aus einer Kanzemer Weingutsbesitzerfamilie stammte und sein Vermögen der Stadt vererbte, um die Grünanlage am Kurfürstlichen Palais in einen „Volksgarten“ umzuwandeln. Die Region Trier stand nach Einschätzung des Weinexperten und FAZ-Journalisten Daniel Deckers von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts im Zentrum der deutschen Weinkultur. Einzelheiten erläutert er in seinem Vortrag „Moselwein – Modewein. Die Geschichte(n) der preußischen Weinmetropole Trier“ am Donnerstag, 29. März, 18 Uhr, Stadtbibliothek.

Deutschlandweit einzigartig ist der komplette Bestand der internationalen Fachzeitschrift „Weinmarkt“. Die Publikation erschien zwischen 1881 und 1923. Sie ist, so Simon, eine wertvolle Quelle zur Erforschung der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung. Die Archivare verfügen außerdem über Akten des Amts für Weinbewirtschaftung der französischen Besatzungstruppen nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals war der Weinverkauf streng reglementiert.
 
Im frühen 20 Jahrhundert hatte die Stadtverwaltung die Bedeutung des Weinbaus als Wirtschafts- und Marketingfaktor erkannt. OB Albert von Bruchhausen war 1908 treibende Kraft bei der Gründung des Großen Rings, um die Versteigerungen zu konzentrieren und effizienter zu gestalten. 1910 vereinigte er die inzwischen in den anderen deutschen Anbaugebieten entstandenen vergleichbaren Gemeinschaften zum „Verband Deutscher Naturweinversteigerer“ – Vorgänger des renommierten „Verbands Deutscher Prädikatsweingüter“ (VDP). Außerdem wurde 1927 in einem Flügel des heutigen Rathauses ein Weinmuseum mit nationalem Anspruch eröffnet.