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26.01.2021

Das jüdische Trier neu entdecken

Die Bauhistorikerin Dr. Marzena Kessler bei den Dreharbeiten in der Judengasse.
Die Bauhistorikerin Dr. Marzena Kessler bei den Dreharbeiten in der Judengasse. Foto: Stadtmuseum

Im Rahmen des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" beleuchtet das Stadtmuseum Simeonstift in einer medialen Ausstellung die Geschichte der Jüdinnen und Juden in Trier. Über 30 Interviews mit Expertinnen und Experten laden dazu ein, vermeintlich bekannte Orte in Trier und der Region neu zu entdecken.

Neben den Erinnerungsorten des Holocaust werfen die Berichte auch Schlaglichter auf die Jahrhunderte des fruchtbaren Zusammenlebens von Juden und Nichtjuden. Wer sich in Trier auf die Suche nach Spuren jüdischen Lebens begibt, wird schnell fündig: Die Häuser in der Judengasse nahe dem Hauptmarkt erzählen von der Blütezeit der jüdischen Gemeinde im 14. Jahrhundert, der Friedhof in der Weidegasse beherbergt neben den Großeltern von Karl Marx auch die Urgroßeltern von Marcel Proust und die Synagoge in der Südallee ist sichtbares Symbol für die Rückkehr jüdischen Lebens nach dem Holocaust. Auch das dunkelste Kapitel der jüdischen Geschichte ist in Trier allgegenwärtig: Rund 200 Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig erinnern an die Opfer des NS-Regimes – sie sind an den letzten Wohnadressen der Deportierten in den Bürgersteig eingelassen und nennen Name, Jahrgang sowie Ort und Datum ihrer Ermordung.

Mit diesen Orten dürfte für die meisten Bewohner und Besucher der Stadt die Aufzählung der Orte jüdischen Lebens ins Stocken geraten. Dass es noch weit mehr Plätze gibt, die von der Geschichte der Jüdinnen und Juden in der Stadt erzählt, zeigt das Stadtmuseum Simeonstift ab 21. März in der Sonderausstellung „Orte jüdischen Lebens in Trier. Eine Spurensuche in Interviews". An Monitoren kann das Publikum über 30 Orte in Stadt und Region kennenlernen.

Neue Facetten

Vorgestellt werden Händler, Künstler, Gelehrte, aber auch Orte wie der jüdischen Friedhof, die Synagoge und die Museumssammlungen. Der Blick weitet sich auch über Trier hinaus: das Arye Maimon-Institut, das Dorf Aach bei Trier, die Synagogen in Wittlich und Thionville, die jüdischen Friedhöfe in Bingen und Worms. In kurzen Erläuterungen werden teils neue Forschungsergebnisse vorgestellt, teils wird bereits Bekanntes an Ort und Stelle referiert. Museumsdirektorin Dr. Elisabeth Dühr erklärt: „Der besondere Reiz dieser Interviews liegt darin, dass sie vermeintlich bekannten Orten unseres Alltags ganz neue Facetten hinzufügen und um die Perspektive der jüdischen Geschichte erweitern."

Zu den Orten jüdischer Geschichte zählen beispielsweise auch die Porta Nigra und die Basilika: Sie waren Schauplatz mittelalterlicher Pogrome und Fluchtpunkt für die verfolgten Jüdinnen und Juden – von den teils dramatischen Ereignissen berichtet der Historiker Professor Frank G. Hirschmann. Vor dem Portal der Liebfrauenkirche erklärt die Gästeführerin Bettina Hein die Gegenüberstellung der beiden Figuren Ekklesia und Synagoge – ein in Stein gemeißeltes Zeugnis der latenten Judenfeindlichkeit in der christlichen Mehrheitsgesellschaft des Mittelalters. Die Weberbach hingegen findet Erwähnung als beispielhafte Straße, in der jüdische und christliche Mieterinnen und Mieter Tür an Tür friedlich miteinander leben – neue Forschungsergebnisse, die von der jungen Historikerin Michelle Stoffel vorgestellt werden.

Im Rahmen des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" finden 2021 bundesweit Veranstaltungen statt, mit denen an die Geschichte der Jüdinnen und Juden in Deutschland erinnert wird, bevor mit dem Holocaust diesem Zusammenleben ein jähes Ende gesetzt wurde. Aber auch die Rückkehr jüdischen Lebens in die deutschen Städte nach dem Zweiten Weltkrieg wird thematisiert: Auch in der Ausstellung im Simeonstift berichten Jeanna Bakal, und Janiv Taran, zwei Mitglieder der jüdischen Kultusgemeinde, von jüdischem Alltag und Gemeindeleben.

Museumsdirektorin Dr. Elisabeth Dühr betont: „Es ist uns ein besonderes Anliegen, in diesem Gedenkjahr die lange jüdische Kulturgeschichte der Stadt Trier hervorzuheben. Neben dem wichtigen Gedenken an die jähe Zäsur des Holocaust wollen wir zeigen, dass Menschen jüdischen Glaubens über Jahrhunderte ein selbstverständlicher Teil der Stadtgesellschaft waren und der Stadt wichtige Impulse brachten."

Die Ausstellung soll ab 21. März für die Öffentlichkeit zugänglich sein – vorbehaltlich der dann geltenden Corona-Bestimmungen. Zu sehen ist die Präsentation bis 14. November. Wegen der Anzahl der Interviews berechtigt eine Eintrittskarte zum zweimaligen Eintritt.

Kathrin Koutrakos