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20.10.2020

Auch kleine Gesten können viel bewirken

Ruth Mereien-Gürke (rechts) im Einsatz als Protokollchefin beim Besuch des luxemburgischen Großherzogpaars (Mitte) im Juni 2005.
Ruth Mereien-Gürke (rechts) im Einsatz als Protokollchefin beim Besuch des luxemburgischen Großherzogpaars (Mitte) im Juni 2005. Das Bild zeigt die königlichen Hoheiten auf dem Weg zur Basilika.

Nicht zuletzt wegen der römischen Highlights lockt Trier immer wieder viele prominente Gäste an. Damit alles reibungslos läuft, sind Protokollexperten unerlässlich. Ruth Mereien-Gürke hat diesen Bereich im Rathaus 32 Jahre lang geprägt und geht nun in den Ruhestand. Im Gespräch mit der Rathaus Zeitung (RaZ) zieht sie eine Bilanz.

RaZ: Wie kamen Sie im Juni 1988 zur Stadtverwaltung?

Ruth Mereien-Gürke: Damals strebte ich eine berufliche Veränderung an und habe mich als Vize-Chefin des Verkehrsamts beworben. Im Gespräch mit OB Felix Zimmermann und seinem designierten Nachfolger Helmut Schröer bot man mir allerdings die vakante Position der Protokollchefin an. Ich habe nicht Nein gesagt und der Stadtrat hat zugestimmt. Kurz nach dem Start stand das Jubiläum 20 Jahre Partnerschaft mit ’s-Hertogenbosch an. Drei Wochen später hatten wir Gäste aus Fort Worth zur Begründung der Partnerschaft. Hier hatte ich, noch als Einzelkämpferin, einiges zu organisieren. Aber ich war damals schon gut vernetzt. Mein Organisationstalent, meine Auslandsaufenthalte, das Anglistik- und Romanistikstudium und die Arbeit in Führungsposition in renommierten Hotels in Trier und der Schweiz kamen mir zugute. Trotzdem war das eine große Herausforderung und eine spannende Zeit.

Früher galten Protokollchefs oft als relativ streng und an eher starre Regeln gebunden. Hat sich dieses Image gewandelt?

Es hat sich sehr viel verändert. Mein Urgroßvater im Amt, Walter Degenhardt, hat sich sehr darüber aufgeregt, dass bei Ratssitzungen die Herren nicht mehr in Anzug und Krawatte erschienen. Heute legt der OB fest, welches Format er als Gastgeber einer Veranstaltung geben will. Bei offiziellen Besuchen bestimmt das Protokoll der Bundes- oder der Landesregierung Ablauf und Format. Hier gelten vor allem international strenge Regeln, damit es keine diplomatischen Verwicklungen gibt. Eine versierte Kollegin oder ein Kollege vor Ort ist eine große Hilfe. Für ein angenehmes Miteinander braucht es einen Code für die verbale und non-verbale Kommunikation – eine Art Zeichensprache, mit der man Rang und Würde des Gastes, seine Wertschätzung, aber auch politische Absichten des Gastgebers deutlich macht. Dazu gehören das Festlegen der Sitzordnung, der Redefolge, die korrekte Anrede und viele kleine aufmerksame Gesten, um den Gästen den Aufenthalt angenehm zu gestalten.

Welche drei Höhepunkte möchten Sie für ihre 32-jährige Tätigkeit nennen?

Spontan aus den vielen Highlights auszuwählen, ist sehr schwer. Eine Sternstunde war Sir Peter Ustinov bei den Antikenfestspielen 1998. Die Aufführung von „Des Esels Schatten" vor der Porta drohte im Regen unterzugehen. Das Orchester hatte sich verflüchtigt, nur ein Pianist und der 82-jährige Ustinov, als Sprecher nur durch einen Schirm geschützt, hielten die Stellung. Er brachte seine Erzählung mit freundlicher und eiserner Disziplin zu Ende. Beim Abendessen erlebte ich ihn als charmant-humorvoll und als vollendeten Geschichtenerzähler. Weiterer Höhepunkt war die Begegnung mit Professor Alexander Jakowlew, Vorsitzender der internationalen Kommission der KPdSU am 7. Januar 1989 zur Vorbereitung des für 1990 geplanten Staatsbesuchs von Michail Gorbat-
schow. Obwohl wegen der Unabhängigkeitsbestrebungen von Litauen Gorbatschows Station in Trier ausfiel, habe ich viel über das große internationale Protokoll gelernt.

Was ist mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker im Mai 2003?

Das gehört natürlich auch dazu. Juncker wurde vor allem geehrt als Architekt des neuen Europa und für seine vielfältigen Initiativen zur Stärkung der Großregion. Juncker hat eine wunderbare direkte Sprache und die Fähigkeit, unangenehme Dinge auszusprechen, ohne sein Gegenüber zu kränken. Zudem zeichnen ihn seine Unkompliziertheit, sein Humor und sein Charme aus. Er ist authentisch, souverän und einer der ganz wenigen hohen Gäste, der alle Anwesenden freundlich begrüßt, unabhängig von Rang und Stellung. Sein Wille zur Versöhnung und sein Einsatz für Europa beeindrucken mich zutiefst.

Bis 2016 gehörten auch die Städtepartnerschaften zu Ihren Aufgaben. Was bleibt besonders in Erinnerung?

Mein Bereich umfasste die Organisation offizieller Begegnungen wie Besuche der Oberbürgermeister, Jubiläen und die Begründung der neuen Partnerschaften mit Nagaoka und Xiamen. Das war schon ein großes zusätzliches Pensum. Ich habe es immer sehr bedauert, dass es mangels Ressourcen nicht möglich war, Bürgerkontakte mehr zu unterstützen. So habe ich mit Gleichgesinnten ehrenamtlich begonnen, Partnerschaftsvereine zu gründen. Wir mussten auch in den Partnerstädten Menschen für unsere Idee der Bürgerbegegnung gewinnen und uns mit deren Kultur vertraut machen. Diese Treffen haben mich immer zutiefst bereichert. Mein Mann hat mich sehr unterstützt und sich nie beschwert, dass unsere Urlaube in diesen 16 Jahren immer in Partnerstädten stattfanden.

Welche Pannen oder Missgeschicke, die Sie jetzt auch mit etwas Schmunzeln sehen können, fallen Ihnen ein?

Es gab immer mal kleine Pannen im Hintergrund, oft auch durch spontanes Agieren der Protagonisten. Dann heißt es „Lächeln, Ruhe und Haltung bewahren" und so tun, als sei dies die Planung. Hauptsache ist, dass Gäste und Gastgeber nicht durch protokollarisches Ungeschick in Verlegenheit geraten. Diese Peinlichkeit ist mir Gott sei Dank erspart geblieben.

Zu Ihren Aufgaben gehörte auch die Ausrichtung der Verleihung städtischer Ehrungen. Wie haben Sie versucht, das den Geehrten so unvergesslich wie möglich zu gestalten?

Ich habe zunächst immer telefonisch Kontakt zu ihnen gesucht, auch um beiläufig herauszufinden, mit welcher Musik oder mit welchem Geschenk man eine Freude machen kann. Emotionen spielen eine große Rolle, wenn es darum geht, Atmosphäre zu schaffen. Viele haben sich unendlich über ihre Auszeichnung gefreut. Aber es gab auch Menschen, die peinlich berührt der Meinung waren, die Ehrung nicht verdient zu haben. Da musste ich manchmal ein wenig Überzeugungsarbeit leisten.

Das Gespräch führte Petra Lohse