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11.05.2021

Archäologen graben im Trierer Nordbad

Dieses Aquarell von Johann Lothary von 1808 ist eine der wenigen Darstellungen der Abtei St. Marien.
Dieses Aquarell von Johann Lothary von 1808 ist eine der wenigen Darstellungen der Abtei St. Marien. Die Ansicht zeigt den Klosterkomplex aus der Sicht des gegenüberliegenden Wingerts in Pallien. Im Hintergrund befanden sich Fischteiche, Gärten, Felder und das Landhaus der Abtei. Abbildung: Stadtmuseum

Bis Mai 2022 wird das künftig von der Bäder GmbH der Stadtwerke Trier (SWT) betriebene Nordbad gründlich saniert und erneuert. Bevor dort eine Großbaustelle entsteht, graben Archäologen des Rheinischen Landesmuseums dort. Denn das ganze Gelände, auf dem sich heute Nordbad und Exzellenzhaus befinden, ist ein geschichtsträchtiger Boden.

Dort befand sich schon in römischer Zeit eine Villenanlage, wie der Leiter der Landesarchäologie Trier, Dr. Joachim Hupe, bei einem Vor-Ort-Termin erklärte. Aus der antiken Vorstadtvilla entwickelte sich dann im Mittelalter eine der vier großen Benediktinerabteien der Stadt, die im Verlauf der Jahrhunderte die Namen St. Maria ad ripa, St. Marien, St. Maria ad martyres oder St. Mergen trug. Teile der Überreste dieses Klosters legen die Archäologen in einer Tiefe von bis zu 1,60 Meter jetzt frei. Neben Mauern der Apsis der Klosterkirche fand das Team des Landesmuseums bisher eine Abschlussmauer, einen mit Schieferplatten gepflasterten Gartenweg, einige wenige Kleinfunde und mehrere Gräber, bei denen noch nicht klar ist, aus welcher Zeit sie stammen – das wird noch mit der sogenannten Radiokarbonmethode geklärt. „Wir gehen aufgrund der Bestattung an der Klosterkirche davon aus, dass es sich um Mönche der Abtei handelt", erklärt Grabungsleiter Michael Reinert. Rätsel gibt das ebenfalls entdeckte Grab eines Kindes auf. Noch bis Ende Mai können die Archäologen vor Ort versuchen, die Rätsel der Vergangenheit zu lösen. Dann beginnen die Bauarbeiten. Kleinfunde werden im Landesmuseum weiter untersucht, die Gebäudereste werden wieder zugeschüttet, um sie künftigen Generationen zu erhalten.

Forschungsbedarf gibt es noch einigen. Während es viele Publikationen und Ansichten der anderen Benediktinerabteien St. Maximin, St. Matthias und St. Martin gibt, ist die Quellenlage für St. Marien dünn. „Dabei ist die Bedeutung der Abtei St. Marien für die Geschichte und Entwicklung Triers und der Region sehr groß, " sagte OB Leibe. So liegt das Moselstadion dort, wo die Mönche Gärten und ihre vom Weberbach gespeisten Fischteiche und ein Landhaus hatten. Der Mergener Hof war das Innenstadtdomizil der Mönche.

Weniger bekannt ist auch die große Bedeutung der Abtei St. Marien für den Weinbau. Der berühmte Scharzhof in Wiltingen war Besitz des Klosters, ebenso der so genannte Augenscheiner in Pallien, der heute den Vereinigten Hospitien gehört. Bis zur Kanalisierung der Mosel verkehrte dort auch jahrhundertelang Triers wichtigste Moselfähre. An die kulturelle und geistliche Bedeutung St. Mariens erinnern unter anderem Werke in der wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier. Erst 2019 hatten der Verein der Freunde und Förderer der Stadtbibliothek und die Sparkasse Trier eine Inkunabel, ein Werk aus der Frühzeit des Buchdrucks, das um 1475 in St. Marien entstand, zurückgekauft. Zu den kostbaren Büchern in Trier gehört auch ein in der Abtei entstandenes karolingisches Evangeliar aus dem neunten Jahrhundert.

Konkurrenz zum Heiligen Rock

Heutzutage eher skurril: 1512, im selben Jahr der ersten Ausstellung des Heiligen Rocks „fanden" die Mönche der Abtei die „Tunica Mariens". Sie sei – so die wohl ersonnene Legende, vom Papst dem Heiligen Willibrord geschenkt worden, dann aber in Vergessenheit geraten. Es kam zum Zwist mit dem Dom. Heute wird das Kleid in der Liebfrauenkirche aufbewahrt.

Mit dem Einmarsch der Franzosen Ende des 18. Jahrhunderts endete die Klosterherrlichkeit. Die Abtei wurde aufgehoben, die Ausstattung verkauft, Kirche und Anlagen abgerissen. Lediglich die Wirtschaftsgebäude wurden von Franzosen und später den Preußen militärisch genutzt. Zunächst als Pulver- und Artilleriemagazin, später als Sitz des Kommandeurs der 16. Infanteriedivision. Aus diesem Grund sind diese erhaltenen Gebäude heute auch als „Exzellenzhaus" bekannt. Als einem der ranghöchsten Militärs der preußischen Rheinprovinz gebührte dem Kommandeur die Anrede „Exzellenz". Auch geschichtsträchtig: Eine der letzten „Exzellenzen" dort war zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Generalleutnant Lothar von Trotha, der von hier 1904 ins damalige Deutsch- Südwestafrika, das heutige Namibia, aufbrach, wo er den Aufstand der Herero und Nama blutig niederschlug.

Ernst Mettlach