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16.04.2013

Ansporn für den fairen Handel

OB?Klaus Jensen überreicht die Urkunde des Nell-Breuning-Preises an den TransFair-Vorsitzenden Heinz Fuchs (r.) und Geschäftsführer Dieter Overath (2. v. r.). Links im Bild Laudatorin Heidemarie Wieczorek-Zeul.).
OB?Klaus Jensen überreicht die Urkunde des Nell-Breuning-Preises an den TransFair-Vorsitzenden Heinz Fuchs (r.) und Geschäftsführer Dieter Overath (2. v. r.). Links im Bild Laudatorin Heidemarie Wieczorek-Zeul.).
Mit der Verleihung des Oswald von Nell-Breuning-Preises an den Verein TransFair hat die Stadt Trier ein Zeichen für bessere Produktionsbedingungen in Ländern der „Dritten Welt“ und eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung gesetzt. Mit der erfolgreichen Verbreitung fair gehandelter Produkte setzt der Verein wichtige Ansätze der von Nell-Breuning geprägten katholischen Soziallehre in die Praxis um.

OB Klaus Jensen überreichte die Urkunde am vergangenen Dienstag im Rahmen eines Festakts in der Promotionsaula des Priesterseminars an den TransFair-Vorstandsvorsitzenden Heinz Fuchs und Geschäftsführer Dieter Overath. Auf der Basis der christlichen Prinzipien von Gerechtigkeit, Solidarität und Subsidiarität gebe es direkte Anknüpfungspunkte zwischen dem Gedankengut des Jesuitenpaters Nell-Breuning und den Aktivitäten von TransFair, heißt es in der Begründung der Jury für die diesjährige Vergabe. Die Preisverleihung sei auch ein Beitrag zur Unterstützung und Verbreitung der Anliegen von TransFair, ergänzte Jensen.

Der Verein mit Sitz in Köln, der unter anderem das Fairtrade-Siegel für fair gehandelte Produkte vergibt, ist nach dem Päpstlichen Hilfswerk „Cor Unum“ die zweite Organisation, die mit dem erstmals 2003 verliehenen Nell-Breuning-Preis geehrt wird. Die Stadt Trier möchte mit dem mit 10.000 Euro dotierten Preis ihre Verbundenheit zu ihrem früheren Ehrenbürger Oswald von Nell-Breuning dokumentieren und zugleich an das epochale Lebenswerk des herausragenden Sozialethikers erinnern.

Die Frage, ob der 1991 verstorbene Oswald von Nell-Breuning heute selbst Mitglied im Verein TransFair wäre, konnte bei der Veranstaltung, an der Sozialminister Alexander Schweitzer als Vertreter der Landesregierung teilnahm, nicht beantwortet werden. Doch alle Redner hoben die große Übereinstimmung zwischen Nell-Breunings Lösungsansätzen und den einer weltweit gerechteren Wirtschaftsordnung verpflichteten Zielen der Fairtrade-Bewegung hervor.
 
Ausbeutung gebrandmarkt

„Mittels Fairtrade wird mehr globale Gerechtigkeit erreicht. Die sich daran beteiligen, verhalten sich solidarisch zu anderen und übernehmen zugleich individuelle Verantwortung. Das hätte Oswald von Nell-Breuning mit Sicherheit gefallen“, betonte die langjährige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, in ihrer Laudatio. Jensen hob hervor, Nell-Breuning habe immer wieder für menschenwürdige Produktionsbedingungen Stellung bezogen, die Notwendigkeit von Gewerkschaften verteidigt, Ausbeutung und Auswüchse des Kapitalismus als Verstoß gegen die göttliche Ordnung gebrandmarkt.

2009 war TransFair mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet worden. Eine bedeutende Auszeichnung sei das gewesen, so Vorstandsvorsitzender Heinz Fuchs in seiner Dankesrede. „Dennoch empfinde ich es als tiefgreifender und letztlich bedeutender, mit einem Preis geehrt zu werden, der in der Tradition eines großen Sozialethikers steht, der stets das Wohl aller Menschen im Blick hatte.“ Die „überraschende“ Ehrung bedeute für alle Akteure im fairen Handel einen Ansporn, um auf Bewährtem aufzubauen und den anstehenden Herausforderungen mutig zu begegnen.

Mehr Teilhabe und Selbstbestimmung

Der mit dem Nell-Breuning-Preis ausgezeichnete Verein TransFair wird von 35 Mitgliedsorganisationen, darunter  Misereor, Brot für die Welt, die Deutsche Welthungerhilfe, der BUND, Unicef und etliche kirchliche Initiativen, unterstützt. TransFair ist weder Käufer noch Verkäufer, sondern vergibt gegen eine Lizenzgebühr das Fair-trade-Siegel für fair gehandelte Produkte. Bei deren Herstellung und Vermarktung müssen bestimmte Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden, die die Dachorganisation Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) festlegt und vor Ort überprüft.

Nicht zuletzt dank der Öffentlichkeitsarbeit von TransFair werden in Deutschland mittlerweile 2000 gesiegelte Produkte in über 36.000 Geschäften und 18.000 gastronomischen Betrieben angeboten. Neben den Klassikern Tee, Kaffee und Schokolade zählen dazu längst auch Blumen, Textilien und Möbel. Der Verein TransFair habe maßgeblichen Anteil daran, so Heidemarie Wieczorek-Zeul in ihrer Laudatio, dass „der faire Handel sein Nischendasein verlassen hat und zu einer breiten Bürgerbewegung geworden ist“.

Das Prinzip des fairen Handels mit festgelegten Mindestpreisen macht Kleinbauern und Landarbeiter in Afrika, Asien und Lateinamerika unabhängiger von den Preisschwankungen des weltweiten Rohstoffmarkts. Schätzungen zufolge profitieren davon zur Zeit rund sechs Millionen Menschen. „Damit leistet Fairtrade einen ganz wesentlichen Beitrag zur Entwicklungsförderung und Armutsbekämpfung“, unterstrich Wieczorek-Zeul. TransFair-Vorstand Heinz Fuchs verwies auf eine Studie der Universität Saarbrücken, wonach der faire Handel nicht nur für ein höheres Einkommen, Selbstbestimmung, soziale Sicherheit und bessere Arbeitsbedingungen sorgt, sondern auch die gesellschaftliche Teilhabe und politische Verantwortung stärkt.

Einig waren sich OB Jensen, Wieczorek-Zeul und Fuchs aber auch in der Analyse, dass es keinen Anlass zum Ausruhen gibt, sondern verstärktes Engagement angesichts der vielerorts weiterhin katastrophalen Zustände gefragt ist. Als aktuelle Herausforderung beschrieb Wieczorek-Zeul das Phänomen des „Landgrabbing“. Darunter versteht man den Ankauf riesiger Gebiete durch Staaten, Konzerne und Investoren, die dabei kleinbäuerliche Strukturen vernichten und wertvolle Ackerflächen als Spekulationsobjekte missbrauchen.

Jensen konnte darauf verweisen, dass in der seit 2010 zertifizierten Fairtrade-Stadt Trier das Engagement für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen in den armen Regionen der Welt in vielen verschiedenen Gruppen und Initiativen verwurzelt ist. Das stellten im Rahmen der Preisverleihung zwei Schülergruppen eindrucksvoll unter Beweis: Das „TheAter“-Ensemble des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums ließ ausgebeutete Arbeiter und sorglose Konsumenten pantomimisch aufeinanderprallen, bis die Idee des fairen Handels den Widerspruch der beiden Welten auflöst. Eleonora Angioni und Marvin Reiff berichteten über ihr Engagement in der Indienhilfe des Auguste-Viktoria-Gymnasiums, das seit 1996 Unesco-Projektschule ist. Zudem gab OB Jensen bekannt, dass der Trierer Wilhelm-Hubert-Cüppers-Schule für Gehörlose als zweiter Schule in Rheinland-Pfalz der Titel einer Fairtrade-Schule zuerkannt wurde. Viel Applaus gab es für die Jazzcombo des FWG unter der Leitung von Bernhard Nink, die den Festakt musikalisch umrahmte.