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07.11.2012

Ankommen und durchatmen

In ihrem Wohnheim in Ehrang können Adam, Mahdi, Mohammadou und Mohammad (v. l.) den Deutschkurs, den sie im Multikulturellen Zentrum besuchen, nachbereiten.
In ihrem Wohnheim in Ehrang können Adam, Mahdi, Mohammadou und Mohammad (v. l.) den Deutschkurs, den sie im Multikulturellen Zentrum besuchen, nachbereiten.
168 jugendliche Flüchtlinge aus Afghanistan, Somalia und anderen Krisengebieten der Erde kamen im vergangenen Jahr auf sich allein gestellt, ohne Eltern oder Verwandte, nach Rheinland-Pfalz. Mit dem neu eröffneten Clearinghaus in Ehrang haben sie für die erste Zeit ihres Aufenthalts in Deutschland ein Heim, das sie nicht ausgrenzt, sondern willkommen heißt.

Holzfußboden, helles Treppenhaus, Lesezimmer, gemütliche Küche und großer Garten:  Der erste Eindruck des Clearinghauses ist einladend. Hier können die oft traumatisierten Jugendlichen erstmal ankommen und durchatmen. Das vom Jugendzentrum Don Bosco Helenenberg betriebene Heim bietet 13 Plätze und ist erste Aufnahmestelle für alle „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“ – so die amtlich korrekte Bezeichnung – in Rheinland-Pfalz. Die 16- und 17-jährigen Jungen, sie bilden mit Abstand die größte Gruppe, bleiben länger in Ehrang, während die Mädchen und jüngeren Jungen kurz nach der Ankunft in eine Einrichtung der Kreuznacher Diakonie in Niederwörresbach wechseln.

„Ich bin sehr froh, dass wir endlich eine langfristig tragfähige Lösung für die jungen Flüchtlinge gefunden haben. Viele von ihnen haben lange Fluchtwege zurückgelegt, um schließlich in einem Land anzukommen, das ihnen völlig fremd ist und dessen Sprache sie nicht sprechen“, sagte Familienministerin Irene Alt bei der Einweihung des Clearinghauses. „Die psychische Belastung ist enorm und die Jugendlichen brauchen dringend einen geschützten Raum.“

Weil dieser Schutz in der Trierer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber nicht immer gegeben war, wurde seit Mai 2011 eine neue Unterkunft gesucht. Die Don Bosco-Jugendhilfe als Träger des Heims hat rund 500.000 Euro und viel Eigenleistung in Erwerb und Renovierung des seit mehreren Jahren leer stehenden Ehranger Wohnhauses investiert. „Hier können wir unsere erfolgreiche Arbeit mit jungen Männern aus den vergangenen 20 Jahren auch unter veränderten Rahmenbedingungen fortsetzen“, betonte Sieglinde Schmitz, Leiterin des Zentrums Helenenberg.

Mit der Aufnahme im Clearinghaus übernimmt das Jugendamt der Stadt Trier die Funktion des vorläufigen Vormunds. „Diese besondere Verantwortung nehmen wir sehr engagiert wahr“, unterstrich Bürgermeisterin Angelika Birk. „Als vorübergehender Aufenthaltsort hat das Clearinghaus den Auftrag, für minderjährige Flüchtlinge eine dem Alter angemessene Unterstützung in ihrer schwierigen Lebenssituation zu finden.“ In der höchstens dreimonatigen Clearingphase werden anhand von Bildungsstand und Gesundheit die individuellen Perspektiven besprochen. Zugleich werden eventuell bereits in Deutschland lebende Verwandte ausfindig gemacht.  Bei fehlenden Ausweispapieren muss das Alter behördlich ermittelt werden.

Danach werden die Jugendlichen landesweit auf Einrichtungen der regulären Jugendhilfe verteilt. Bis sie volljährig sind, genießen sie Bleiberecht und dürfen nicht abgeschoben werden. Ob sie jedoch nach ihrem 18. Geburtstag wirklich in Deutschland Fuß fassen können, hängt häufig von der richterlichen Entscheidung über ihren Asylantrag ab.