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23.12.2013

An Vorruhestand ist überhaupt nicht zu denken

Foto: OB Klaus Jensen
OB Klaus Jensen

2013 war ein Jahr mit besonders herausragenden kommunalpolitischen Ereignissen und Entwicklungen: Einstimmig verabschiedetes Mobilitätskonzept Trier 2025, langwierig errungener Kompromiss beim Schulentwicklungsplan, Debatten über den Sanierungsstau an den Schulen, emotionale Auseinandersetzung über das geplante Engagement des Großinvestors ECE oder das Volksbefragungsergebnis (Zensus) mit einer Festigung Triers als Großstadt. Es gab den Grundsatzbeschluss über die Reaktivierung der Schienen-Westtrasse, das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum sowie die Diskussion über das Kulturleitbild und die Zukunft des Trierer Theaters. Das ganze Jahr über wurde die Geduld vieler Autofahrer durch zahlreiche Straßenreparaturen auf zentralen Verbindungsstrecken und an wichtigen Verkehrsknotenpunkten auf die Probe gestellt. Allerdings wird noch mehr gejammert, wenn mit den maroden Straßen nichts passiert. Und schließlich gab es am 18. November ja auch noch die ganz persönliche Ankündigung von Oberbürgermeister Klaus Jensen, keine zweite Amtsperiode mehr anzustreben.

RaZ: Herr Oberbürgermeister Jensen, welches Ereignis hat Sie denn 2013 in Ihrer Funktion als Oberbürgermeister ganz persönlich am meisten beeindruckt?  

OB Jensen: Das waren ganz eindeutig die zahlreichen Reaktionen auf meinen Verzicht auf eine erneute OB- Kandidatur. Ich habe schwer mit mir gerungen, bis die Entscheidung aus Altersgründen feststand. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass dieser Schritt bei vielen Menschen Betroffenheit auslösen und mir eine Fülle ehrlicher Sympathiebezeugungen entgegengebracht würde. Das erlebt man im politischen Alltagsgeschäft ja nicht jeden Tag.

Was waren denn für Sie die bemerkenswertesten Ereignisse im zurückliegenden Jahr?

Da gibt es eine Fülle, von denen einige im Vorspann ja schon genannt wurden. Herausragend ist für mich der erzielte Durchbruch neuer Förderrichtlinien zum sozialen Wohnungsbau, der ja völlig zum Erliegen kam. Für die Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus habe ich zwei Jahre auf vielen politischen Ebenen gekämpft. Trier, aber auch andere Kommunen werden jetzt davon profitieren. Dann war da noch die Wahl meiner Frau zur Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Das ist ja auch für Trier nicht ganz unbedeutend, dass die Repräsentantin unseres Landes eine Triererin ist.

Vor allem beim ECE-Projekt haben Sie bei verschiedenen Anlässen kritisiert, dass Ihre Haltung oder die des Stadtvorstands teilweise nur sehr verzerrt in der Öffentlichkeit wiedergegeben wurde und inhaltlich damit falsche Signale gesetzt wurden.

Diese falsche Darstellung hat mich sehr geärgert. Da wurde bewusst einiges ins falsche Licht gerückt. Niemand wollte und will ein riesiges Center, wie sie früher einmal in anderen Städten errichtet wurden. Aus diesen Fehlern hat man längst gelernt. Vielmehr geht es um eine ganzheitliche Quartiersentwicklung mit den drei zusammengehörenden Komponenten öffentlicher Bereich, Wohnen und Handel. Wir müssen unsere Stadt behutsam fortentwickeln. Wir können nicht so tun, als gebe es um uns herum in der Großregion keine Konkurrenz.    

Wie ist der aktuelle Stand in der ECE-Angelegenheit?

Auf meine Initiative hat sich zwischenzeitlich eine Arbeitsgruppe konstituiert, der Mitglieder von Rat und Verwaltung angehören. Ziel ist es, ein integriertes Innenstadtkonzept zu entwickeln. Wir müssen Antworten auf die Frage erarbeiten „Was braucht Trier?“ In diesen Prozess werden neben der Arbeitsgruppe die Verbände, Institutionen und selbstverständlich die Bürgerschaft integriert. Das ist ein langwieriger Prozess und wird wohl gut zwei Jahre benötigen. 

Herr Jensen, das Schulthema ist bislang nicht zur Ruhe gekommen. Wie stehen Sie heute zu dem im Frühjahr ausgehandelten Kompromiss des Schulentwicklungskonzepts?

Weite Teile sind nach wie vor richtig. Daran ändern tagesaktuell bedingte Vorkommnisse nichts grundsätzlich. Ich habe bei der Verabschiedung im Rat aber auch schon darauf hingewiesen, dass sich einige Beschlüsse wohl kaum realisieren lassen werden. Hier spielen sowohl die Finanzen, als auch übergeordnete Gesichtspunkte der Dienstaufsichtsbehörde eine Rolle. Ich gehe davon aus, dass einige Fragen neu behandelt und geklärt werden müssen.  

Die Fahrplangestaltung der Deutschen Bahn AG hat im zurückliegenden Jahr des Öfteren den Unmut von Rat und Verwaltung hervorgerufen. Wie wollen Sie weiter dagegen vorgehen, damit Trier Ende 2014 als Oberzentrum nicht vom Fernverkehr abgekoppelt wird?

Gemeinsam mit der Landesregierung und unseren Bundestagsabgeordneten in Berlin haben wir massiv gegen diese Pläne interveniert. Unseren Protest habe ich bei Gesprächen mit Managern der Bahn AG eingebracht. Die Verselbstständigung der Bahn als AG hat aber leider auch dazu geführt, dass man sich von der absoluten Notwendigkeit einer Fernverkehrsanbindung der Großregion mit Trier und Luxemburg auf den Entscheidungsetagen wenig beeindruckt zeigt. Für die Stadt sind die Auswirkungen fatal. Aber wir kämpfen weiter.

Im zurückliegenden Jahr fiel auf, dass Sie bei den Themen Schulplanung, Wohnraum für Familien und Kinder oder der Theaterdiskussion ganz massiv und unmittelbar an die Bürgerinnen und Bürger appelliert haben, tatkräftig mitzuwirken, um auf Dauer Verbesserungen zu ermöglichen. Weshalb?

Der Bürgerbeteiligung messe ich bekanntlich einen hohen Stellenwert bei. Sie bedeutet für mich das Recht, mitzugestalten, schließt aber zugleich die Verantwortung für das Ganze mit ein. Das Gemeinwesen kann sich nicht konstruktiv entwickeln, wenn für die Umsetzung von Projekten nur der Rat oder die Verwaltung verantwortlich gemacht werden. Alle müssen den Weg mitgehen und Verantwortung übernehmen. Beim Theater bedeutet das konkret, dass alle, die für den Erhalt des Drei-Sparten-Ensemblehauses plädiert haben oder sich der übergeordneten Bedeutung des Theaters für das Image der Großregion bewusst sind, das Theater auch aktiv durch den Besuch von Vorstellungen oder den Kauf von Abos unterstützen. Bei der momentanen Wohnungsnot heißt das, dass diejenigen, die gut versorgt sind, Verständnis dafür haben sollten, wenn für Wohnraumsuchende neue Wohngebiete ausgewiesen werden oder attraktive Wohngebiete mit Freiräumen mit zusätzlichen Wohnungen verdichtet werden. Und bei der emotional geführten Schuldebatte darf nicht nur die persönliche Betroffenheit gelten. Wer die Qualität unserer Schulen bewahren will, muss auch die eine oder andere Schließung akzeptieren.

Apropos Bürgerbeteiligung: Es gibt viele Bereiche, beispielsweise beim Bürgerhaushalt, in denen das gut funktioniert. Die Neuwahl des Jugendparlaments ist hingegen wegen der nicht ausreichenden Zahl von Kandidaten gescheitert.

Nach Ablauf der Amtszeit des erstmals gewählten Jugendparlaments, von dem doch einige wichtige Impulse ausgingen, war ich von der Entwicklung überrascht. Ich würde aber nicht grundsätzlich von einem Scheitern sprechen. Für die unzureichende Zahl von Wahlbewerbern war bekanntlich eine Reihe von Gründen ausschlaggebend. Die Beteiligung muss sich auch erst einmal einspielen. Einige Regelungen, beispielsweise die Altersfrage, müssen grundsätzlich überdacht werden.

Zu Ihren Schwerpunkten gehört auch die Energiepolitik. Die weltweite Klimapolitik tritt seit Jahren auf der Stelle, auch der letzte Gipfel in Warschau brachte keine Wende. Macht es trotzdem Sinn, die Energiewende auf regionaler Ebene voranzutreiben?

Auf jeden Fall. Jede CO2-Reduzierung ist ein Schritt in die richtige Richtung, egal ob kommunal, regional oder global. Wenn andere ihrer Verantwortung gegenüber unserer Umwelt, unseren Kindern und Kindeskindern nicht gerecht werden, dürfen wir in unserem Bereich die Zügel deshalb nicht schleifen lassen. Das wäre eine sozialethisch völlig ungerechtfertigte Position.

Von Haushaltsthemen war in jüngster Zeit, nicht zuletzt wegen des Doppelhaushalts 2013/14, in der Öffentlichkeit nicht so viel zu hören. Der Städtetag ließ verlauten, die zu erwartenden höheren Steuereinnahmen würden zum Schuldenabbau beitragen, strukturell schwache Städte blieben allerdings belastet. Wie sieht die momentane Entwicklung für Trier aus?

Die Kernbotschaft lautet: Wir sind auf einem guten Weg der Reduzierung des riesigen, strukturell bedingten Defizits. Aber es sind noch viele Hürden zu meistern und allein können wir es auch gar nicht schaffen, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Wir haben schon erhebliche Förderungen durch das Land erhalten. Von der neuen Bundesregierung erwarte ich eine massiv spürbare finanzielle Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich, beispielsweise bei der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Das Defizit ist in 2012 schon um 20 Millionen Euro geschrumpft und 2014/15 kommt der kommunale Finanzausgleich. Ich will nicht übermütig werden und wir haben noch eine lange Strecke vor uns, aber langsam wird ein Silberstreif am Horizont erkennbar.   

Im kommenden Jahr wird des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren gedacht. Wird sich die Stadt diesem Thema widmen? Was bedeutet Ihnen diese Erinnerung?

Trier war ja aufgrund der Grenzlage lange Frontstadt und bekam die Auswirkungen der Kriege in besonderer Weise zu spüren. Die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse der beiden Weltkriege ist und bleibt eminent wichtig als Grundlage einer europäischen Friedensstrategie. Wenn wir den Frieden dauerhaft bewahren wollen, müssen wir eine Kultur des Miteinanders – auch unterschiedlicher Kulturen – schaffen und uns immer wieder der Zeiten erinnern, in denen das Gegenteil passiert ist. Unsere Region ist für dieses Miteinander über die Grenzen hinweg prädestiniert. Ich setze mich dafür ein, dass wir die Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Rahmen unseres QuattroPole-Städtenetzes gemeinsam und grenzüberschreitend gestalten.      

Mit den Wahlen zum Stadtrat sowie den Ortsbeiratswahlen im Mai und der OB-Neuwahl im Herbst wird 2014 ein wichtiges Kommunalwahljahr sein. Und Europawahlen gibt es ja auch noch. Befürchten Sie, dass die normale Arbeit dadurch schwieriger als sonst wird?

Zumindest für das erste Halbjahr hege ich die Befürchtung, dass die Fraktionen zu unpopulären Entscheidungen vermeintlich nicht bereit sein werden und somit wertvolle Zeit verloren geht. Es ist natürlich auch nicht auszuschließen, dass neue politische Kräfte in den Rat einziehen werden. Es wird dann erfahrungsgemäß schon etwas dauern, bis sich alles wieder eingespielt hat.

Als Sie bekannt gaben, nicht nochmals für das Amt des Oberbürgermeisters zu kandidieren, mussten Sie sich etwas des Eindrucks erwehren, als gäbe es jetzt nichts mehr bis zum Amtswechsel im Frühjahr 2015 zu tun.

Von Abschiedsstimmung kann und soll überhaupt keine Rede sein. Es stehen noch viele wichtige Herausforderungen auf der Agenda. Und selbstverständlich werde ich mich bis zum letzten Arbeitstag am 31. März 2015 mit voller Kraft für die weitere Verbesserung der Lebensverhältnisse in unserer schönen Stadt einsetzen. An einen Vorruhestand ist da überhaupt nicht zu denken. Ich freue mich jedenfalls auf die verbleibenden gut 15 Monate meiner OB-Tätigkeit.   

Das Gespräch führte Hans-Günther Lanfer