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22.01.2008

"Der Obrigkeitston kommt selten gut an"

Mitarbeiter des Kommunalen Vollzugsdienstes haben immer häufiger mit alkoholisierten Randalierern zu tun.
Mitarbeiter des Kommunalen Vollzugsdienstes haben immer häufiger mit alkoholisierten Randalierern zu tun.
Exzessiv trinkende Jugendliche, verwirrte und hilflose Personen, Sucht- und Infektionskranke, verwahrloste Kinder und vermüllte Wohnungen. Nichts davon ist den Männern vom Kommunalen Vollzugsdienst fremd. Das Ordnungsamt ist verpflichtet, immer mehr Aufgaben zu übernehmen, die vorher von der Polizei erledigt wurden. In Trier ist die Personaldecke mit nur acht Beamten jedoch recht dünn. Im Schichtbetrieb gehen die uniformierten Vollzugsbeamten zu zweit auf Streife, ein weiterer Kollege nimmt in der Leitstelle Anrufe entgegen. Die Rathaus Zeitung begleitete die Männer an einem gewöhnlichen Freitagabend.

16.48 Uhr: Hauptbahnhof. Drei Jugendliche sitzen an der Laderampe und trinken Bier. Nichts Verbotenes, aber ein Grund hinzuschauen. „Wir zeigen Präsenz“, sagt Reinhard R. und lässt sich die Personalausweise zeigen. „Wenn mehr Leute dazu kommen, kann das schnell eskalieren. Wir werden heute bestimmt noch einmal herkommen.“

17 Uhr: Viehmarkt. Etwa 15 bis 20 Punks lassen ihre Hunde frei herumlaufen. Ein lockerer Spruch kann hier viel eher etwas bewirken, wissen die Beamten „Der Obrigkeitston kommt selten gut an“, sagt Markus H. Schließlich leinen die Punks die Hunde an und räumen ihren Müll zusammen.

17.22 Uhr: Am Grüneberg, Kürenz. In einem verlassenen Haus, das vermutlich einsturzgefährdet ist, sollen Kinder spielen, meldet die Leitstelle. Bis vor einem Jahr lebte hier noch eine ältere Dame, in völlig verwahrlos-tem Zustand. Seit ihrem Umzug ins Pflegeheim hat sich niemand um das Haus gekümmert. Die Tür steht offen. Es stinkt nach Urin, von den Decken löst sich die Verkleidung, überall liegt Müll. Beim Laufen bleiben die Füße am Boden kleben. Kinder sind nicht da. Die Tür wird zur Sicherheit verriegelt, damit sich hier niemand verletzen kann.

17.54 Uhr: Im Schankenbungert, Trier-West. Die Beamten suchen einen Mann, dessen Großvater verstorben ist. Da er der einzige Angehörige ist, muss er sich um die Beerdigung kümmern. Bei seiner Lebensgefährtin soll er wohnen, doch die will davon nichts wissen. „Wir sind getrennt“, sagt die Frau, die schon öfter mit den Beamten zu tun hatte. Heute ist hier nicht mehr herauszukriegen.

18.25 Uhr: Grundschule Feyen. Auf einer Bank haben es sich zwei Jugendliche mit ein paar Bier bequem gemacht. Weitere Flaschen liegen im Graben. Eine freundliche Ermahnung bewirkt hier Wunder. Recht kleinlaut sammeln die Jungs die Flaschen ein und geloben Besserung.

19.15 Uhr: Wache, Hindenburgstraße. Zeit für ein gemeinsames Abendessen und Gespräche über Einsätze, die man nicht vergisst. „Schön ist, wenn sich jemand bedankt“, meint Reinhard R. und erinnert sich an einen älteren Mann, der vier Tage hilflos in seiner Wohnung lag, bevor die Beamten  ihn retteten. Auch solche Fälle bleiben im Gedächtnis. „Oft kommt man aber auch zu spät“, sagt er. „Das sind Eindrücke, besonders, wenn es um Kinder geht, die sind belas-tend.“ Im Kollegenkreis besprechen die Beamten solche Ereignisse, um sie zu verarbeiten. „Der Zusammenhalt ist daher sehr groß“, berichtet Oliver G. „Schließlich sind wir in Extremsituationen zusammen.“

20.05 Uhr: Hauptmarkt. Ein „alter Bekannter“ hat sich vor dem Eingang von St. Gangolf  hingelegt. Er hat sich erbrochen und reagiert zunächst nicht auf die Ansprache der Beamten. „Aufstehen!“, sagt Reinhard R., doch das schafft der Obdachlose allein nicht. Gemeinsam stellen die Beamten ihn auf die Füße, doch er braucht noch ein paar Minuten, bis er weiter ziehen kann. Wenig später ist er verschwunden. „Für seine Verhältnisse war er heute leicht angetrunken“, meint Reinhard R. Im Auto riecht es nach Desinfektionsmittel. Gründlich reinigen die Beamten ihre Handschuhe – wegen der Ansteckungsgefahr. „Das oberste Gebot ist die Eigensicherung“, sagt Reinhard R. Und wie geht man mit dem täglichen Risiko um? „Eine gesunde Portion Respekt gehört dazu“, so Oliver G. „Man muss immer wachsam bleiben, denn Routine macht leichtsinnig.“

20.45 Uhr: Metternichstraße, Trier-Nord. Eine Frau, beladen mit Plas-tiktüten und einer Sporttasche, läuft durch das Industriegebiet. „Asyl“ ist das Einzige, was zunächst zu verstehen ist. Papiere hat sie nicht dabei. Schließlich wird sie in die Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende, kurz AfA, gebracht, wo man sich weiter um sie kümmern wird.

22.10 Uhr: Hauptfriedhof. In einer Familiengruft schlägt ein anderer Obdachloser bei schlechtem Wetter sein Nachtlager auf. Schon oft haben die Beamten ihn von dort weggeschickt. Heute scheint er schon auf sie gewartet zu haben. Seine Habseligkeiten sind noch in Taschen verpackt, richtig bequem gemacht hat er es sich noch nicht. Langsam trottet er vor den Beamten her und verlässt schimpfend den Friedhof. In einem Übernachtungsheim in Trier-West kann er ein trockenes Plätzchen für die Nacht finde.

23.05 Uhr: Hauptbahnhof. Inzwischen haben sich etwa 15 Personen an der Rampe versammelt. Der Alkoholpegel ist deutlich gestiegen. Ein Mann will die Beamten provozieren und uriniert an die Hauswand. Zehn Euro kostet das. Personalien werden überprüft. Der Mann hat schon einiges mehr auf dem Kerbholz, doch heute bekommt er nur einen Zahlschein und eine Verwarnung. Nach Eskalation sieht es trotzdem nicht aus. Die Beamten können weiter fahren.

0.30 Uhr: Wache, Hindenburgstraße. Eine vergleichsweise ruhige Spätschicht geht für die drei Beamten zu Ende. „Bei dem Sauwetter ist einfach keiner draußen.“

Verena Thimme