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16.03.2021

Ein letztes Mal im Polizeipräsidium

Die abgegebenen Stimmzettel werden vom Wahlvorstand in verschiedene Kategorien sortiert, verpackt und anschließend versiegelt.
Die abgegebenen Stimmzettel werden vom Wahlvorstand in verschiedene Kategorien sortiert, verpackt und anschließend versiegelt. Die versiegelten Umschläge kommen in den Wahlkoffer, welcher dann dem Wahlamt übergeben wird.
„Wie viele Stimmabgaben vermelden die Schriftführerinnen?", fragt die Wahlvorsteherin um kurz nach 18 Uhr. Das Wahllokal im ehemaligen Polizeipräsidium in der Südallee wurde nach zehn Stunden der möglichen Stimmabgabe geschlossen und der Wahlvorstand macht sich an die Auszählung der abgegebenen 308 Stimmen. Oder waren es doch 309?

„Na hier schaut es aber nicht sehr schön aus", kommentiert ein Wähler als er seine Wahlbenachrichtigung vorlegt. „Nee, wird wirklich Zeit, dass das hier abgerissen wird", kommentiert ein anderer aus dem Nebenraum. Man merkt dem Wahllokal an, dass das ehemalige Polizeipräsidium seit einer längeren Zeit leer steht. Über´einen langen, schmalen Gang der mit Waschbetonplatten verkleidet ist, geht es in ein ehemaliges Büro, dort sitzen Wahlvorsteher und Schriftführer sowie deren Stellvertretungen. Der Büroraum ist bis auf die Tische des Wahlvorstandes und die Urne komplett leer. An den Wänden erkennt man Abdrücke von Bilderrahmen und es hängen noch die letzten Fetzen von abgerissenen Plakaten. Auf Hüfthöhe zeigen graue Schrammen, dass hier nicht selten Schreibtischstühle hängen geblieben sind. Man kann erahnen, dass in der Ecke ein großer Schrank stand, denn eine rechteckige Fläche des ansonsten gelb gestrichenen Raums ist hier weiß.

Das richtige Wahllokal finden

Demnächst wird das ehemalige Polizeigebäude abgerissen. Auf dem Gelände soll die neue Hauptfeuerwache mit Rettungswache und integrierter Leitstelle entstehen. Aber nicht allen Wählern ist bewusst, dass sie das erste und letzte Mal im Polizeipräsidium wählen werden. So ist eine Frau ganz überrascht, dass sie „bei der Polizei" wählen muss. Ihr war nicht bekannt, dass das Präsidium umgezogen ist, auch wenn das auf ihrer Wahlbenachrichtigung vermerkt war.

Bei der ersten Wahl in Rheinland- Pfalz unter Pandemie-Bedingungen kam es zu einigen Veränderungen bei den zugeteilten Wahllokalen. Eine junge Frau hat ihre Wahlbenachrichtigung verlegt und kommt auf gut Glück vorbei, da sie nicht mehr weiß, in welchem Wahllokal sie wählen darf. „Ich wohne in der Kaiserstraße, das ist ja direkt gegenüber", erklärt sie. Doch ein Blick in das Wählerverzeichnis und die Wahlbezirksgrenzen zeigt, dass sie in der Tufa wählen muss – irgendwie ja auch direkt gegenüber. Auch ein anderer Wähler muss in ein anderes Wahllokal geschickt werden. Er ist vor wenigen Wochen umgezogen und noch im Wählerverzeichnis seiner alten Wohnung registriert: „Krass, dabei bin ich ja nur eine Straße weitergezogen. Was die paar Häuser da ausmachen können", kommentiert er.

Nicht nur für die Wähler, sondern auch für den Wahlvorstand sind es neue Umstände. Für jedes Wahllokal gibt es ein Hygienekonzept und Wegesystem. Es herrscht im ganzen Gebäude Maskenpflicht, überall steht Desinfektionsmittel bereit und die Personenanzahl im Wahllokal ist beschränkt. Der Wahlvorstand sitzt hinter durchsichtigen Roll-ups, die als Infektionsschutz dienen, die Tische der einzelnen Wahlhelfer stehen mindestens 1,50 Meter auseinander. Doch der größte Aufwand liegt im Desinfizieren der Wahlkabinen. Das Hygienekonzept sieht vor, dass nach jeder Stimmabgabe die Wahlkabine und der Kugelschreiber desinfiziert werden. Der stellvertretende Wahlvorsteher fasst die Situation zusammen: „Man hat deutlich mehr zu tun, da neue Aufgaben, wie das Desinfizieren dazu kommen, und gleichzeitig sind wir weniger Leute als sonst. Langweilig wird es bestimmt nicht." Der Aufwand für die rund 720 Helferinnen und Helfer in den Wahllokalen und den 31 Briefwahlvorständen ist in diesem Jahr deutlich höher.

Insgesamt 1299 Wahlberechtigte sind dem Wahllokal laut Wählerverzeichnis zugeteilt. Davon haben aber 514 einen Sperrvermerk, da sie bereits Briefwahl beantragt haben. In Trier haben zu dieser Landtagswahl von knapp 79.000 Wahlberechtigten mehr als 30.000 Briefwahl beantragt – ein Rekord. Das macht sich auch im Wahllokal bemerkbar, denn es geht eher ruhig zu.

In allerletzter Minute

Wenige Minuten vor dem Wahlende kommt ein Mann ins Wahllokal gehetzt. In der Hand hält er seine ausgefüllten Briefwahlunterlagen. „Kann ich die hier noch schnell abgeben? Ins Rathaus schaffe ich es jetzt nicht mehr pünktlich", sagt er. Doch der Wahlvorstand muss verneinen. Der Wähler muss vor den Augen des Wahlvorstandes seine Briefwahlunterlagen öffnen, der Stimmzettel wird vernichtet und der Wahlschein eingezogen. Dann bekommt er einen neuen Stimmzettel überreicht und kann gerade noch rechtzeitig seine Stimme abgeben.

Um Punkt 18 Uhr wird mit der Auszählung der Stimmen begonnen. Der Wahlvorstand zählt die Stimmzettel und die Schriftführerinnen die abgegebenen Stimmen laut Wählerverzeichnis. Die Schriftführerinnen kommen auf 308 Wähler, die ihre Stimme im Wahllokal abgegeben haben. Der übrige Wahlvorstand zählt jedoch 309 Stimmzettel. „Oh je, eine Stimme Unterschied ist der Klassiker bei der Auszählung", kommentiert die erfahrene Schriftführerin. Doch die Entwarnung kommt schnell. Bei der erneuten Zählung der Zettel stellt ein Beisitzer fest, dass in einem 20er-Stapel nur 19 Zettel liegen und somit das Ergebnis von 308 Wählern bestätigt werden kann.

Um kurz nach 19 Uhr bestätigt die Wahlvorsteherin das Wahlergebnis im Wahlbezirk Barbara 3 + 5 und gibt es per Schnellmeldung an das Wahlbüro weiter. Danach werden die einzelnen Stimmzettel nach Kategorien sortiert, verpackt und versiegelt.

Nach über zwölf Stunden gehen dann die Lichter im ehemaligen Polizeipräsidium aus. Es wird das letzte Mal gewesen sein, dass sich dort so viele Menschen aufgehalten haben.

Johanna Pfaab