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08.05.2018

Ein Kind seiner Zeit

Landesausstellung „Karl Marx 1818-1883“ inszeniert Epoche des technischen und gesellschaftlichen Umbruchs

Zahnräder sind ein wiederkehrendes Stilelement der Ausstellung im Landesmuseum.
Zahnräder sind ein wiederkehrendes Stilelement der Ausstellung im Landesmuseum. Dieser Raum befasst sich mit dem Kommunistischen Manifest.
Die Landesausstellung „Karl Marx 1818-1883 – Leben, Werk, Zeit" nimmt den Besucher mit auf eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert: Eine Epoche mit tiefgreifenden politischen, technischen und sozialen Umwälzungen. Der Ausstellungsteil im Landesmuseum konzentriert sich auf den intellektuellen Werdegang von Marx. Im Stadtmuseum geht es um die Person Karl Marx, seine Familie, Freunde, Weggefährten und Gegner.

Ob Fan oder Kritiker: Die meisten Menschen haben ein festes oder sogar starres Bild von Marx im Kopf. Das ist der Ausgangspunkt der Ausstellung: Der Rundgang im Landesmuseum startet mit einer Projektion der gängigsten Marx-Klischees. In den verschiedenen Räumen und Inszenierungen geht es anschließend darum, die Vorurteile aufzubrechen. „Seit dem Mauerfall ist eine Generation vergangen", sagt die wissenschaftliche Leiterin Beatrix Bouvier. „Jetzt ist die richtige Zeit, Karl Marx neu zu bewerten, frei von der Vereinnahmung durch Gewaltherrscher im 20. Jahrhundert, aber auch ohne falsche Aktualisierung."

Eine eindimensionale Persönlichkeit, das wird in der Austellung schnell deutlich, war Marx mit Sicherheit nicht: Er war Philosoph, Ökonom und Universalgelehrter, Schriftsteller, Journalist, revolutionärer Aktivist und Familienvater. Und er war kein welt-
abgewandter Theoretiker, sondern wurde beeinflusst von den Umständen seines bewegten Lebens, das von Geldnot und dem prekären Dasein im Exil geprägt war.

Zu den herausragenden Exponaten zählen Manuskripte von Karl Marx, darunter die einzige erhaltene Seite vom Original-Entwurf des Kommunistischen Manifests und eine Erstausgabe des „Kapital" mit handschriftlichen Anmerkungen des Verfassers. Zahlreiche zeitgenössische Gemälde und Kunstobjekte, aber auch Gegenstände aus der damaligen Arbeitswelt, vermitteln einen unmittelbaren Eindruck von den Zeitumständen, in denen Marx gelebt hat. Im Mittelpunkt stehen die Industrialisierung und die damit einhergehende soziale Not breiter Bevölkerungsschichten. Thematisiert werden zum Beispiel die Massenauswanderung und die Bargeldbeschaffung im Pfandhaus – zwei Erfahrungen, die auch das Leben des politisch verfolgten Flüchtlings Marx geprägt haben. In den Landschaftsgemälden bilden rauchende Fabrikschlote den Hintergrund für die nicht mehr so idyllische Natur. Die Exponate wurden aus berühmten Museen in ganz Europa entliehen, darunter das Victoria and Albert Museum in London, die Eremitage in St. Petersburg und das Musée d‘Orsay in Paris.

Die Ausstellung im Stadtmuseum gliedert sich nach den Städten, in denen Marx gelebt und gewirkt hat: Die Prägung in einer bürgerlichen jüdischen Familie in der damals verarmten Stadt Trier, das Studium der Philosophie in Berlin, die Zeit als Journalist in Köln, die Exilaufenthalte in Paris und Brüssel, Manchester als Inbegriff des Kapitalismus und Wohnort von Marx‘ Freund Friedrich Engels und schließlich London als Lebensmittelpunkt von 1849 bis 1883. Zu sehen sind hier unter anderem die Geburtsurkunde von Karl Marx, sein erstes Porträtbild aus dem Jahr 1835, gezeichnet von seinem Kommilitonen Heinrich Rosbach, eine frühe Darstellung der Kinderarbeit am Webstuhl in einem Gemälde von Joan Planella i Rodriguez und eine Originalausgabe des Brettspiels „Strike", das im Hause Marx oft gespielt wurde. Dazu gibt es eine Fülle von zeitgenössischen Ansichten der jeweiligen Städte, die das alltägliche Umfeld, in dem sich Marx bewegte, illustrieren.

In jedem Stadtraum gibt es zudem eine Medienstation mit Kurzbiographien von Persönlichkeiten, mit denen Marx sich in der jeweiligen Lebensphase austauschte und auseinandersetzte, darunter sein Lehrer am Trierer Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, Johann Hugo Wyttenbach, die Familie seiner Ehefrau Jenny von Westphalen, sowie Mitstreiter und Intimfeinde bei den Junghegelianern an der Berliner Universität, im Bund der Kommunisten, bei der Neuen Rheinischen Zeitung und in der Internationalen Arbeiter-Assoziation.

Das Landesmuseum greift in seiner Ausstellungsarchitektur die inhaltlichen Themen auf: Die Abteilung „Not und Unterdrückung" befindet sich in düsteren, beengten Räumen. Barrikaden symbolisieren die Revolution von 1848, Gitterstäbe die Zeit der Verfolgung nach deren Scheitern. In der „Marx-Maschine" werden die Exponate als Teil des Produktionsprozesses in einer Fabrikhalle inszeniert, inklusive monotoner Metallgeräusche und eines Geruchs nach Schmieröl. Die Eckpunkte des Kommunistischen Manifests, der Mehrwerttheorie und des „Kapitals" werden den Besuchern außerdem in Trickfilmen möglichst anschaulich nahegebracht.

Am Ausgang steht erneut die Frage: „Wer ist Karl Marx?". Die Besucher können selbst eine Antwort formulieren und an die Wand pinnen. Wahrscheinlich fällt sie anders aus, als zu Beginn des Rundgangs.

 

 
Bildergalerie
  • Der Raum 'Marx-Maschine' im Landesmuseum veranschaulicht den von Marx beschriebenen Entfremdungsprozess durch Fabrikarbeit.