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21.11.2018 | Resolution

Solidarität mit aus dem Mittelmeer geretteten Menschen

Der Stadtrat hat in seiner Sitzung am 26. September 2018 mit großer Mehrheit eine Resolution zur Solidarität mit aus dem Mittelmeer geretteten Menschen verabschiedet, die sich von Nordafrika per Schiff auf den Weg nach Europa machen und dabei nicht selten kentern. Vor allem seit die Schiffe privater Rettungsorganisationen in Häfen festgehalten werden, sei die Situation dramatisch und die Zahl der im Mittelmeer ertrunkenen Menschen angestiegen, heißt es in der Resolution. In diesem Jahr seien bislang 1500 Menschen bei der Überfahrt ums Leben gekommen.

Die Sprecherinnen und Sprecher der zustimmenden Fraktionen (CDU, SPD, Grüne, UBT, Linke, FDP) betonten die humanitäre Pflicht zur Seenotrettung und die Absicht, mit der Resolution ein Zeichen der Menschlichkeit zu setzen. Michael Frisch (AfD) sagte ebenfalls, die Menschen müssten gerettet werden, jedoch seien sie nicht zwangsläufig ans europäische Ufer zu bringen. OB Wolfram Leibe sagte, er sei froh, dass die übergroße Mehrheit des Rates für Humanität stehe.

Die Resolution Solidarität mit aus dem Mittelmeer geretteten Menschen hat folgenden Wortlaut:

  1. Die Rettung von Menschen, die in Seenot geraten sind, stellt unabhängig von den Ursachen der Notlage eine rechtliche und moralische Verpflichtung dar. Dieser Verpflichtung kommen subsidiär auch private Seenotrettungsorganisationen nach, die bei ihrer Flucht in Seenot geratene Menschen aus dem Mittelmeer bergen, weil die Europäische Union dieser rechtlichen und moralischen Verpflichtung bisher nicht in dem erforderlichen Umfang nachkommt.
  2. Die Aufnahme dieser Menschen und die Durchführung eines Asylverfahrens darf nicht alleine Aufgabe weniger europäischer Mittelmeerstaaten sein. Europa trägt insgesamt Verantwortung. Dies setzt auch die Bereitschaft der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland voraus, sich noch stärker für gemeinsame europäische Lösungen einzusetzen.
  3. Die Stadt Trier erklärt sich bereit, auch für im Mittelmeer gerettete Menschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihren eigenen humanitären Beitrag fortzusetzen, der schon jetzt über das hinaus geht, wozu sie durch Gesetz und Moral verpflichtet ist.
  4. Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, dies in einem offenen Brief an die Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen und den Brief sowohl medial als auch auf der Homepage der Stadt Trier zu veröffentlichen.

Bestandteil des Stadtratsbeschlusses ist auch die folgende Begründung:

"In der Einwohnerfragestunde der Stadtratssitzung am 30. August 2018 wurde der Vorschlag eingebracht, sich einer Initiative mehrerer deutscher Städte wie beispielsweise Köln, Bonn, Düsseldorf oder Osnabrück anzuschließen, die sich bereit erklärt haben, Menschen, die im Mittelmeer aus Seenot gerettet wurden, unabhängig von den bestehenden Zuweisungen, bei sich aufzunehmen. Der Rat der Stadt Trier greift diesen Vorschlag auf und setzt ihn mit diesem Antrag um.

Die Rettung von in Seenot geratenen Menschen ist eine rechtliche und moralische Verpflichtung für alle Menschen. Wenn sich diese Rettung mit der Migration verbindet, ist dies vorrangig eine staatliche Aufgabe und Verpflichtung. Die Rettung ist hier untrennbar mit der Frage des längerfristigen oder dauerhaften Aufenthaltes verbunden. Dies berührt die Hoheitsrechte desjenigen Landes oder der Staatengemeinschaft, wo die Geretteten an Land gehen. Deshalb darf die Europäische Union dieses Problem nicht den NGOs überlassen oder auf sie abwälzen. Die NGOs entscheiden bisher de facto darüber, dass die Geretteten in die UE kommen und danach die Verfahren durchgeführt werden (Asyl, Schutzstatus gemäß Genfer Flüchtlingskonvention, etc.). Diese bisher geduldete Praxis wird zunehmend in Frage gestellt, obwohl die EU ihre eigene Seenotrettungsaktion SOFIA hat auslaufen lassen. Die Verpflichtung der EU zur Seenotrettung wird durch FRONTEX nicht im erforderlichen Umfang wahrgenommen.

Seitdem die verdienstvolle Arbeit privater Rettungsorganisationen im Mittelmeer zum Erliegen gekommen ist, weil deren Schiffe in unterschiedlichen europäischen Häfen festgehalten werden oder ihnen die Einfahrt verwehrt wird, ist die Zahl der im Mittelmeer ertrinkenden Menschen dramatisch angestiegen. Schätzungen zufolge sind im laufenden Jahr bislang ungefähr 1.500 Menschen gestorben. Dieser Umstand ist nicht vereinbar mit unserem Verständnis, nach dem es eine unbedingte Verantwortung gibt, das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Menschen zu schützen. Daher könnte man die EU wegen grober Pflichtverletzung und unterlassener Hilfeleistung verklagen. Solange die EU ihren Verpflichtungen nicht im vollen Umfang nachkommt, ist es erforderlich, all diejenigen aktiv zu unterstützen, die sich um die Rettung von Menschenleben verdient machen. Eine Verurteilung der EU würde klarstellen, dass diese Verantwortung nicht einigen wenigen europäischen Staaten aufgebürdet werden darf, nur weil sie am Mittelmeer liegen. Sie würde zugleich den Versuchen entgegentreten, die NGOs zu kriminalisieren, wenn diese subsidiär die Seenotrettung von Migranten wahrnehmen.

Gefragt ist vielmehr Solidarität aller Staaten, die sich in der Europäischen Union eben auch zu einer Wertegemeinschaft zusammengeschlossen haben. Als Teil derselben sieht der Rat der Stadt Trier auch die Bundesrepublik Deutschland in der Verantwortung, aus dem Mittelmeer geretteten Menschen in der EU ein rechtsstaatliches Asylverfahren zu ermöglichen.

Die Stadt Trier ist vor diesem Hintergrund bereit, Verantwortung zu übernehmen und sich solidarisch sowohl mit den geretteten Menschen als auch mit anderen Staaten Europas zu zeigen.

Denn gerade die Bürgerinnen und Bürger in Trier wissen, wie wertvoll die offenen Grenzen Europas für sie selbst und auch die Stadt sind. Viele finden Arbeit in Luxemburg und der örtliche Einzelhandel freut sich .über die kaufkräftige Kundschaft aus unserer Nachbarschaft. Trier als eine Stadt im Herzen Europas, in der die schönen Seiten und Vorteile europäischen Union deutlicher als in den meisten anderen Regionen Deutschlands spürbar sind und jeden Tag gelebt werden, übernimmt deshalb auch gerne Verantwortung im Rahmen gesamteuropäischer Solidarität und Humanität."

Oberbürgermeister Leibe hat die Resolution unmittelbar nach ihrer Verabschiedung per Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer weitergeleitet.

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