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14.11.2017

Wie Marx die Wirtschaft entdeckte

Der Lesesaal des British Museums in London in einem Holzschnitt von 1857
Diese Reproduktion eines Holzschnitts aus dem Jahr 1857 zeigt den prächtigen Lesesaal des British Museums in London, wo Karl Marx unzählige Stunden mit ökonomischen Studien verbrachte. Abbildung: Stadtmuseum Simeonstift
150 Jahre nach der Erstauflage des „Kapitals“ und angesichts einer weiter wachsenden Schere zwischen Arm und Reich erleben die Wirtschaftstheorien von Karl Marx derzeit wieder eine Konjunktur. Doch was wollte Marx mit seinen Thesen in seiner Zeit sagen? Wie wurde er vom Philosophen zum Ökonomen? Diese Fragen werden 2018 in der Trierer Landesausstellung „Karl Marx 1818-1883 – Leben, Werk, Zeit“ ausführlich beleuchtet.

Das Rheinische Landesmuseum, das den intellektuellen wie politischen Werdegang von Marx nachzeichnet, behandelt „Marx und Ökonomie“ als einen Ausstellungsschwerpunkt und präsentiert zahlreiche Original-Dokumente. Die Ausstellung im Stadtmuseum Simeonstift, die sich vor allem dem Menschen Marx widmet, zeigt, welche Bedeutung das Thema Ökonomie in dessen Leben hatte.

Karl Marx – 1818 in die Zeit eines aufstrebenden Bürgertums hineingeboren – lernte schon bald Zensur, Repression und Armut kennen. Er durchlief eine rasante Entwicklung vom Philosophen über den Radikaldemokraten bis zum Kommunisten und Gesellschaftskritiker. Mit der Not der Moselwinzer und dem damit verbundenen Holzdiebstahl begann Marx‘ Politisierung: In seiner ersten journalistischen Schrift kritisierte er die ökonomischen Verhältnisse – ein Kapitel, das im Simeonstift behandelt wird.

„Das Kapital“ machte Marx weltweit bekannt. Allerdings trat der Ruhm erst nach seinem Tod 1883 ein, als Friedrich Engels die Notizen und Ideen seines Freundes Marx zusammenführte und die Bände zwei und drei herausgab. Engels besorgte zudem die erste englische Übersetzung und beförderte dadurch die internationale Wahrnehmung der Publikation.

Es war Engels, der Karl Marx überhaupt erst zur Wirtschaftswissenschaft geführt hatte. Marx war zeitlebens Theoretiker und hat wohl kaum je eine Fabrik von innen gesehen. Die umfangreichen Kenntnisse in Sachen praktischer Ökonomie brachte Engels ein, der als Sohn eines Textilunternehmers in einer Familienniederlassung in Manchester Gelegenheit hatte, die Situation der Arbeiter aus nächster Nähe zu beobachten. Nach einem gemeinsamen Besuch in der Stadt wandte sich Karl Marx verstärkt der Ökonomie zu. Das Landesmuseum widmet daher der Hinführung von Marx zur Ökonomie über Friedrich Engels einen Ausstellungsteil, in dem zum Beispiel Engels' wegweisende Schrift „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ präsentiert wird. Auch im Stadtmuseum wird die Industrie- und Sozialstruktur Manchesters dargestellt und die enge Freundschaft Marx- Engels beleuchtet.

Nach der gescheiterten Revolution  1848/49 vertiefte Karl Marx seine wirtschaftlichen Studien. Im Londoner Exil nutzte er den Lesesaal der Bibliothek im British Museum mit einem Bestand von damals einer Million Büchern aus aller Welt. Ihn interessierten der Zusammenhang von Wirtschaft und Gesellschaft, die Auswirkungen des kapitalistischen Systems auf die gesellschaftliche Struktur und die Lebensverhältnisse der Arbeiter. Außerdem untersuchte er das Phänomen der wirtschaftlichen Krisen. Er schöpfte daraus die Hoffnung, dass aus einer Krise heraus soziale Unruhen zu einem Umsturz des kapitalistischen Systems führen könnten. Als im Sommer 1857 eine erste weltweite Krise ausbrach, führte er akribisch alle Informationen in seinem „Book of the Crisis of 1857“ zusammen, das im Rheinischen Landesmuseum im Original zu sehen sein wird.

Zwar konnte Marx beweisen, dass die Selbstregulierungskräfte des Marktes nicht ausreichen, um Krisen zu bewältigen. Doch irrte er in der Annahme, der Kapitalismus würde in einer Krise zugrunde gehen. Er unterschätzte die Flexibilität des Systems. Dennoch gelang ihm die erste fundierte Analyse der Gesamtzusammenhänge. Deshalb lohnt sich noch heute die Auseinandersetzung mit Marx‘ Ökonomie.