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15.05.2018

Trier geht voran bei der Jugendbeteiligung

Jugendhilfeplanerin Graiswin Kattoor.
Jugendhilfeplanerin Graiswin Kattoor.

Am 13. Juni erlebt mit der ersten Jugendkonferenz ein Veranstaltungsformat seine Premiere, das die Beteiligung der jungen Generation an der städtischen Gesellschaft stärken soll. Das Projekt, in das die Tagung eingebettet ist, kann realisiert werden, weil das Jugendamt erfolgreich Fördergelder auf Landes- und Bundesebene eingeworben hat. Im Gespräch mit der Rathaus Zeitung (RaZ) stellt Jugendhilfeplanerin Graiswin Kattoor das Projekt vor.

RaZ: Warum gibt es neben dem bewährten Jugendparlament nun mit der Jugendkonferenz ein weiteres Beteiligungsformat für Jugendliche?

Kattoor: Die Initiative zu dieser Konferenz, an der sich nicht nur Jugendliche beteiligen kam vom Jugendparlament selbst. Dort aktive Jugendliche sagen selbst, dass man nicht alle Altersgenossen erreicht. Unter den Mitgliedern sind Gymnasiasten überrepräsentiert. 2016 hatten wir einen externen Experten zu Gast, der ein Modell einer breiten Beteiligung aus Herrenberg bei Stuttgart vorgestellt hat. Das hat alle auf Anhieb überzeugt, ein ähnliches Modell für Trier zu entwickeln. Mit den beantragten Fördergeldern war es nun möglich, im Sinne einer nachhaltigen Jugendbeteiligung weiter zu planen.

Wie ging es dann weiter?

In der Steuerungsgruppe „Eigenständige Jugendpolitik" haben wir überlegt, welche Variante in Frage kommt und wie wir Geld beschaffen können. Da kam uns die Jugendstrategie „JES!" des Landes mit ihren Leitzielen und der Förderung einer breiten Beteiligung gerade recht und wir haben uns erfolgreich beworben.

Wie sieht das Konzept der Tagung aus?

Bei der niederschwelligen Jugendkonferenz sprechen die Jugendliche Trierer Themen an, die sie betreffen. Morgens ist der Austausch untereinander geplant. Am Nachmittag folgt der Dialog mit Entscheidungsträgern aus Stadtverwaltung und Politik. So etwas ist im Jugendparlament nicht möglich. Nach der Konferenz sollen Projektteams entstehen, die eng mit der Steuerungsgruppe und dem Jugendparlament zusammenarbeiten. Es greift konkrete Themen für seine Arbeit auf.

Was waren die nächsten Schritte der Vorbereitung für die Tagung?

Wir haben die Europäische Kunstakademie als Veranstaltungsort für den 13. Juni angefragt. Wir rechnen mit etwa 150 Personen. Für die Premiere laden wir Jugendliche der neunten Klassen der allgemeinbildenden Schulen ein und verfolgen einen inklusiven Ansatz.

Was sind die Ziele der Tagung und des gesamten Prozesses?

Eine nachhaltige Partizipationskultur zu schaffen mit festen Strukturen – als Ergänzung zum Jugendparlament und den Jugendeinrichtungen. Eine wirksame Beteiligung ist wichtig, um Trier für die jüngere Generation noch attraktiver zu machen, damit sie sich mit der Stadt identifiziert und zur Mitgestaltung aktiviert wird. Wenn sie das Gefühl hat, etwas bewegen zu können, tut man sich unter Umständen leichter damit, auch nach dem Studium oder der Ausbildung in Trier zu bleiben.

Was passiert nach der Tagung?

Die Ergebnisse werden überprüft, um aus den Erfahrungen zu lernen. Außerdem stehen die Resultate digital zur Verfügung, damit alle interessierten Jugendlichen einen offenen Zugang haben. Sie können in den Projektteams mitwirken und so die Stadtentwicklung mitgestalten.

Wie sieht es mit der Finanzierung aus?

Durch die zugesagten Mittel ist das Projekt zumindest für 2018 und 2019 abgesichert. Wir haben insgesamt 20.000 Euro vom Land erhalten. Für die Konferenz sind davon 5000 Euro im Jahr eingeplant. Unsere Eigenmittel liegen bei 2350 Euro. Ziel ist insgesamt, die Konferenz einmal im Jahr stattfinden zu lassen. Über die Bundesstrategie „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft" erhalten wir zusätzlich 1850 Euro pro Jahr. Dieses Geld können Jugendliche für ihre Projekte verwenden. Beide Förderprogramme werden in der Steuerungsgruppe zusammengeführt, die auch die Konferenz plant und umsetzt.

Ist Trier landesweit mit dieser Veranstaltung ein Vorreiter?

Bei den fünf Kommunen, die an der landesweiten Strategie „Jes!" teilnehmen, trifft das zu. Auch auf der Bundesebene sind wir vergleichsweise gut aufgestellt. Das zeigt sich zum Beispiel an Nachfragen anderer Kommunen. Sie wollen wissen, wie wir bestimmte Schritte organisiert haben. Auf dieser Ebene sind 16 Kommunen dabei, jeweils eine pro Bundesland.

Warum wurde Trier für eine Beteiligung an der Bundesstrategie ausgewählt?

Wir haben auf bestehenden Projekten aufgebaut und ein Konzept mit Leitzielen eingereicht, die sich mit denen der Bundesstrategie decken. Dabei geht es auch um eine Stärkung des demokratischen Gemeinwesens.

Welcher konkrete Nutzen ergibt sich für die Jugendarbeit vor Ort?

Ein bereits realisiertes Beispiel ist der bevorstehende Ersatzneubau des Jugendzentrums Merowinger Straße in Ehrang/Quint, bei dem Ideen der Jugendlichen umgesetzt werden. Unsere Steuerungsgruppe war an diesem Projekt unter der Federführung des Jugendamts in Zusammenarbeit mit dem Amt für Soziales und Wohnen beteiligt. Außerdem haben wir bei den Ziel- und Leistungsvereinbarungen, die die Stadt mit von ihr geförderten freien Jugendhilfeträgern abschließt, die Beteiligung der Jugendlichen an den Angeboten als eine Vorgabe eingefügt. Zusätzlich sind nun auch innovative und bedarfsgerechte Planungen im Jugendsektor möglich.

Haben die Jugendlichen also beispielsweise ein Mitspracherecht bei der Gestaltung von Veranstaltungen?

Das haben mir alle Einrichtungen als klare Rückmeldung bestätigt. Die Jugendlichen müssen mitgenommen werden und die Erfahrung machen können, dass ihre Ansichten ernst genommen werden. Man muss ihnen Verantwortung übertragen, zum Beispiel bei der Gestaltung von Werbeflyern, eines Konzerts oder bei der Entwicklung von neuen Angeboten. Das ist eine wichtige Motivation, um sich weiter zu beteiligen und kann zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen.

Wie sollen die Ergebnisse des gesamten Prozesses in die kommunalpolitischen Entscheidungsprozesse vor Ort einfließen?

Diese werden in die Gremien eingebracht: den Jugendhilfe- und den Dezernatsausschuss sowie den Stadtrat. Zudem soll die Verwaltung stärker geöffnet werden für jugendrelevante Themen. In Berlin gibt es ein Jugendcheck-Projekt, um Gesetzesvorhaben und Beschlüsse zu prüfen. Bei diesem Bundesvorhaben beteiligen sich zwei Jugendliche aus Trier. Für die Stadtverwaltung heißt es, künftig mit unseren Projekten auch in die anderen Dezernate zu gehen. Das wird ein längerer Prozess. Eine „Eigenständige Jugendpolitik" ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten und auch nur so erfolgreich. Wir müssen die Verantwortlichen immer wieder für die Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen sensibilisieren. Nach der positiven Resonanz auf unser Konzept im Stadtvorstand bin ich optimistisch.

Das Gespräch führte Petra Lohse