Sprungmarken
29.08.2017

Meilenstein für die Multifunktionshalle

Wolfgang Esser, Julia Lewen und Mégane Vallet werben für die WM-Vorrundenspiele in der Arena.
Wolfgang Esser, Julia Lewen und die aus Metz stammende frühere Bundesligaspielerin der Trierer „Miezen“ Mégane Vallet (v. l.) werben für die Spiele der „französischen“ WM-Vorrundengruppe in der Arena.
Im Dezember dreht sich in Trier alles um einen 350 Gramm schweren Kunststoffball: Die Arena ist einer von sechs Austragungsorten der Handball-Weltmeisterschaft der Frauen, die in knapp 100 Tagen startet. Auf die Trierer Handballfans warten insgesamt 15 Vorrundenspiele, unter anderem mit dem Turnierfavoriten Frankreich.

Zum Start der heißen Vorbereitungsphase sprechen Wolfgang Esser, Chef des lokalen Organisationskomitees, und Julia Lewen, Sport- und Eventmanagerin beim Arena-Betreiber MVG Trier, im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ) über den Ticketverkauf, Auflagen des Weltverbands und die Rolle der Partnerstadt Metz.

RaZ: Was war ausschlaggebend dafür, dass Trier den Zuschlag als WM-Spielort bekommen hat?

Wolfgang Esser: Die Arena Trier ist die einzige Halle in Rheinland-Pfalz, die für Länderspiele unter Wettbewerbskonditionen geeignet ist, also nicht nur für Freundschafts- und Vorbereitungsspiele, sondern auch für Qualifikationsspiele und Turniere. Durch diverse Länderspiele, die wir schon veranstaltet haben, stehen wir zudem in ständigem Kontakt mit den Verbänden der großen Ballsportarten. Dadurch haben wir sehr frühzeitig mitbekommen, dass der Deutsche Handballbund (DHB) sich für die Frauen-WM 2017 bewirbt und haben unser Interesse bekundet. Ein wichtiger Schritt war dann unser Bewerbungsfilm, den wir anlässlich eines Länderspiels im Mai 2015 präsentierten und der beim Verband sehr positiv aufgenommen wurde als Ausdruck einer ganz ausgefallenen Bewerbung, die die Vorzüge der Stadt und der Region in den Vordergrund stellt. Im Herbst 2015 haben wir dann nach vielen Prüfungen auch den Zuschlag bekommen und seitdem laufen die Vorbereitungen kontinuierlich.

Welche Bedeutung hat dieses Event für die Sportstadt Trier?

Esser: Wir haben die ADAC-Rallye verloren und müssen uns für die Zukunft überlegen, welche Sportveranstaltungen für die Stadt nützlich sind. Ich denke, dass wir in dieser Hinsicht mit der Handball-WM einen Meilenstein setzen können. Das ist ein herausragendes Ereignis, bei dem wir uns im Spektrum der Weltklasse darstellen können. Wir wollen diese Chance nutzen und eine sehr attraktive Veranstaltung abliefern, damit auch andere Verbände sehen, was wir leisten können. Und es ist auf jeden Fall eine Bestätigung, dass der Baubeschluss für die Arena vor beinahe 20 Jahren eine richtige Entscheidung war. Ohne diese Multifunktionshalle, die heute noch auf einem technisch sehr guten Stand ist, wäre nicht nur diese Großveranstaltung an Trier vorbeigegangen.

Gibt es positive Effekte für die Vereine vor Ort?

Esser: Wir hoffen natürlich, dass wir durch die WM im Nachwuchs wieder eine größere Breite erzielen, wobei es bei der MJC im C- und D-Jugendbereich schon sehr gute Ansätze gibt. Auch der DHB engagiert sich:  In fast allen Spielorten haben schon Grundschulwettbewerbe stattgefunden, bei uns finden noch Lehrerfortbildungen statt, wir haben eine große Anzahl an Jugendtrainern, die geschult werden, und wir haben ein Forum, das sich mit der Thematik Frauen im Sport beschäftigt. Denn da hat Deutschland gerade in den Ballsportarten noch einen riesigen Nachholbedarf, der Sprung zwischen Männern und Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung ist immer noch gewaltig.

Wie viele Zuschauer erwarten Sie?

Esser: Wenn man die für den DHB und den Weltverband IHF reservierten Kontingente abzieht, können wir pro Session circa 2500 Tickets in den freien Verkauf geben. Wir haben ja an den fünf Spieltagen je eine Nachmittagssession mit einem Spiel um 14 Uhr. Dann wird die Halle nochmal komplett geleert und die beiden Abendspiele folgen um 18 und 20.30 Uhr. Die sind auch nur als Paket zu kaufen und nicht als Einzelspiel. Realistisch rechnen wir nachmittags mit 1200 bis 1500 Zuschauern und für die Abendsessions mit gut 2000. Ein Plus wäre toll und wir werden alles dafür tun.

Julia Lewen: Nach der Gruppenauslosung Ende Juni gab es eine deutlich erhöhte Kartennachfrage, so dass die Abendsessions am Wochenende auf jeden Fall gut besucht sein werden. An den Werktagen gestaltet sich das etwas schwieriger, insbesondere bei den Mittagsspielen. Damit wir trotzdem eine gute Stimmung in der Arena haben, gibt es verbilligte Eintrittskarten für Schulklassen.

Wie viele Gäste werden aus dem Ausland nach Trier kommen?

Esser: Das lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. Klar ist, dass die Fans aus Frankreich die mit Abstand größte ausländische Gruppe darstellen werden. Unsere Partnerstadt Metz ist ja eine Hochburg des französischen Frauen-Handballs. Der Club Metz Handball ist amtierender französischer Meister und stand zuletzt im Viertelfinale der Champions League. Das ist ein sehr starker Partner, der viele Zuschauer mitbringen wird, auch dank unserer Botschafterin, der früheren Miezen-Spielerin Mégane Vallet, die aus Metz stammt und heute noch bei MJC II aktiv ist.  Sie konnte schon sehr viele Kontakte zu den dortigen Vereinen und Institutionen herstellen. Es wird zum Beispiel während der WM auch ein deutsch-französisches Jugendlager geben.

Wie partizipiert die MVG Trier an den Einnahmen?

Esser: Die Einnahmen aus dem Ticketverkauf werden zwischen dem DHB und der MVG praktisch 50:50 aufgeteilt. Die Bewerbung der Veranstaltung in der Halle ist dagegen allein der IHF vorbehalten. Wir können aber rund um die Veranstaltung Sponsorenpakete schnüren, deren Einnahmen dann uns zufließen. Zum Beispiel findet am kommenden Samstag ein Handball-Aktionstag in der Arena statt, wir werden auch bei „Trier spielt“ präsent sein und haben dabei Partner im Boot, die sich mit Handball identifizieren und sich darstellen können. Wir partizipieren natürlich auch über die Gastronomie in der Arena, müssen aber gleichzeitig das VIP-Catering finanzieren. Das ist immer ein Geben und Nehmen.

Werden für die Organisation noch Helfer gesucht?

Lewen: Wir hatten einen sehr guten Rücklauf und es gab schon ein Kennenlerntreffen unserer Volunteers, es sind aber noch Plätze zu vergeben. Insgesamt benötigen wir circa 130 Helfer und freuen uns weiter über jeden Bewerber. Die Aufgaben reichen von der statistischen Erfassung der Spiele über die Betreuung der Mannschaften in der Arena bis zum Fahrdienst zur Trainingshalle auf dem Wolfsberg oder zu den Hotels der Pressevertreter. Interessenten sollten sich über ein Online-Formular direkt beim DHB bewerben.

Müssen für die WM auch bauliche Veränderungen in der Arena vorgenommen werden?

Esser: Nicht auf Dauer, denn für die Spiele wird eigens ein PVC-Boden ausgerollt, der später wieder entfernt wird. Es gibt dennoch einige Auflagen der IHF, die wir erfüllen müssen, zum Beispiel muss hinter dem Kampfrichtertisch ein zweiter Beobachtungstisch mit Platz für mindestens 21 Personen aufgebaut werden. Ich glaube, bei uns werden nicht alle Plätze auf diesem Podium gefüllt sein, weil die Aufgabenverteilung ein bisschen anders ist als zum Beispiel bei Olympia. Dennoch besteht die IHF darauf, dass diese Regularien eingehalten werden. Im Spielort Oldenburg musste man deshalb unter Aufsicht der Baubehörde einen Tribünenumbau vornehmen. Unsere Tribüne kann zum Glück sehr flexibel ein- und ausgefahren werden kann, deshalb können wir uns dem anpassen. Aber Zuschauerplätze werden auf jeden Fall wegfallen.

Versuchen wir noch einen sportlichen Ausblick: Wer sind die Favoriten und Außenseiter in der Trierer Gruppe?

Esser: Frankreich ist ganz klar die Mannschaft, die in den letzten fünf Jahren am besten bei internationalen Entscheidungen abgeschnitten hat. Auch Spanien und Rumänien mit der aktuellen Welthandballerin Cristina Neagu waren in den letzten acht Jahren bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften immer mal wieder vorne dabei. Angola ist die stärkste afrikanische Mannschaft und an guten Tagen in der Lage, die mittelklassigen Europäer zu schlagen, also zum Beispiel den Gruppengegner Slowenien. Handball ist dort der beliebteste Mannschaftssport für Frauen. Paraguay gilt als Exot, der sich in Südamerika für alle überraschend an Stelle von Chile qualifiziert hat.

Das Gespräch führte Ralph Kießling