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25.04.2017

Lesen als Schlüssel zum Erfolg

Die Bildungsexpertinnen Annelie Cremer und Dr. Nina Krämer-Kupka (v. l.) bestücken die Materialsammlung des Lerntreffs in der Stadtbibliothek im Palais Walderdorff mit neuen Übungsblättern und Broschüren.
Die Bildungsexpertinnen Annelie Cremer und Dr. Nina Krämer-Kupka (v. l.) bestücken die Materialsammlung des Lerntreffs in der Stadtbibliothek im Palais Walderdorff mit neuen Übungsblättern und Broschüren.
Viele Erwachsene können entweder gar nicht lesen oder verstehen nur einfache, kurze Texte. An diese Personen richtet sich das VHS-Projekt „Arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener“ (APAG). Die Mitarbeiterinnen teilen ihre Projekterfahrungen nun deutschlandweit mit weiteren Akteuren in der Weiterbildung.

Der Lerntreff in der Stadtbibliothek im Palais Walderdorff ist zu einem zentralen Ort in Trier geworden, an dem sich Menschen treffen, um lesen und schreiben zu üben, allein oder mit Unterstützung eines Lernpaten. Warum dies so gut funktioniert und was erfolgreiche freiwillige Lernangebote ausmacht, haben Dr. Nina Krämer- Kupka und Annelie Cremer im Rahmen des APAG-Projekts analysiert. Von 2012 bis 2015 hatte die Volkshochschule mit Fördergeldern des Bundesbildungsministeriums in Trier Netzwerke und Strukturen aufgebaut und individuelle Lernangebote entwickelt. Der Bund verlängerte die Förderung des Projekts bis 2018, jedoch nun mit dem Schwerpunkt, die gemachten Erfahrungen weiterzuvermitteln, sodass sie bundesweit genutzt werden können.

Angebot für Azubis

Als zweiter neuer Arbeitsschwerpunkt kam 2015 die Berufsausbildung hinzu. Im Rahmen des APAG-Projekts und in Kooperation mit der Trierer Handwerkskammer können nun auch Auszubildende gezielt ihre Lese- und Schreibfähigkeiten verbessern. Lehrlinge aus dem Baugewerbe wie Straßenbauer, Stuckateure und Fliesenleger haben die Möglichkeit, während der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung im Kenner Bauhof mit Lernpaten gezielt an ihren Schwächen zu arbeiten: Leseverständnis, schriftlicher Ausdruck, Arbeits- und Lerntechniken.

Die Bildungsexpertinnen werten ihre Erfahrungen im Unterrichten, aber auch im Aufbau von Netzwerken und Lernorten nun systematisch aus und fassen sie strukturiert zusammen. Auf einer Tagung im März präsentierten sie einem Fachpublikum erste Ergebnisse. Im September veranstalten sie einen Workshop zum Aufbau von Lernorten.

Anschauungsobjekt ist der Lerntreff im Palais Walderdorff am Domfreihof, dessen Erfolgsfaktoren zusammengefasst lauten: Es ist immer eine Ansprechpartnerin vor Ort, es gibt Lernmaterial für jeden Geschmack und Laptops mit Selbstlernprogrammen. Als Lernpaten für eine Eins-zu-eins-Betreuung vor Ort wurden Ehrenamtliche gewonnen, die sich bei Bedarf an die Bildungsexpertinnen wenden und sich moderiert untereinander austauschen können. „Offene Lernangebote ohne besondere Betreuung funktionieren gut bei Flüchtlingen, die bildungsaffin und motiviert sind,“ hat Dr. Krämer-Kupka beobachtet. Deutsche Muttersprachler mit Lernschwierigkeiten benötigten hingegen mehr direkte Ansprache und eine konsequente Begleitung. Im August hat sich die Selbsthilfegruppe „Wortsalat“ gegründet, die sich jeden ersten Montag im Monat im Lesecafé der Stadtbibliothek trifft.

Auch die Situation der freiwilligen Helfer haben die APAG-Mitarbeiterinnen im Auge. „Ehrenamtliche, die keine ausgebildeten Pädagogen sind, tun sich oft schwer mit dem vorhandenen Lehrmaterial“, hat Annelie Cremer festgestellt: Starre Übungen passen selten zur individuellen Situation des Lernenden, das Material strotzt vor Fachbegriffen und Nicht-Pädagogen fehlt das Handwerkszeug, um die Übungen abzuwandeln. Deshalb hat das APAG-Team auch eigenes Material erstellt, das flexibel einsetzbar ist, weil es zum Beispiel unterschiedliche Aufgaben für ein und denselben Text vorschlägt. Erprobt werden die Materialien unter anderem mit dem Senior Experten Service (SES), einer Stiftung der Deutschen Wirtschaft, in der Ehrenamtliche junge Menschen in Schule und Ausbildung fördern.

 
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