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25.10.2016

Fahrt ins Ungewisse

Mit einer Gedenkveranstaltung hat die luxemburgische Regierung am 16. Oktober der ersten Juden gedacht, die genau an diesem Tag vor 75 Jahren per Zug in das polnische Lódz deportiert wurden. Neben Großherzog Henri, dem luxemburgischen Parlamentspräsidenten Mars Di Bartolomeo, Premierminister Xavier Bettel und dem Präsidenten des israelischen Konsistoriums, Claude Marx, nahm auch Triers Bürgermeisterin Angelika Birk an der Veranstaltung am Hauptbahnhof Luxemburg teil.

Vor 75 Jahren, am 16. Oktober 1941, um zehn Uhr morgens, verließ der erste Deportationszug mit 512 Juden den Luxemburger Hauptbahnhof in Richtung des polnischen Ghettos Litzmannstadt. Neben den 323 Juden aus Luxemburg wurden am Trierer Hauptbahnhof auch 189 Juden aus dem damaligen Regierungsbezirk Trier von den Nazis in den Zug verbracht, da dessen Transportkapazität ausgeschöpft werden sollte. Die deutschen Besatzer in Luxemburg hatten die Juden aufgerufen, sich am Bahnhof zu versammeln. Mitnehmen durften sie einen Koffer, in dem sie ihre Habseligkeiten verstaut hatten. Für fast alle war es eine Fahrt in den Tod, diente das Ghetto doch als Zwischenstation vor der Deportation in die Vernichtungslager Kulmhof, Treblinka, Auschwitz-Birkenau und Sobibor. Symbolisch für die von den Nazis 323 verschleppten luxemburgischen Juden standen 323 Koffer, die von den Teilnehmern der Gedenkveranstaltung – darunter auch viele Schüler – getragen wurden.

Die luxemburgische Regierung hatte die Stadt Trier zur Teilnahme an der Gedenkfeier eingeladen. In Vertretung von Oberbürgermeister Wolfram Leibe nahm Bürgermeisterin Angelika Birk hieran teil. In Gesprächen brachte sie zum Ausdruck, man werde, auch von Seiten der Stadt Trier, alles unternehmen, damit sich das unvorstellbare Leid der damaligen Ereignisse nie mehr wiederholen werde. Dies beinhalte auch, von Anfang an mit allen demokratischen Mitteln Verstößen gegen die Menschenwürde und jedweden Zeichen von Rassismus und Ex-

tremismus aktiv entgegenzutreten. Dies bleibe man den Opfern des Holocausts auch nach 75 Jahren schuldig. Birk dankte für die Einladung an die Stadt Trier. Sie sei ein Zeichen des freundschaftlichen Miteinanders, aber auch der gemeinsamen Verantwortung gegenüber der Geschichte und den Lehren, die hieraus auch für die Zukunft zu ziehen seien.

Bartolomeo, Bettel und Marx erinnerten an die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs und riefen dazu auf, die Erinnerung an das Geschehene wachzuhalten, damit sich die Ereignisse nicht wiederholen könnten. Bartolomeo wies zudem auf die Entschuldigung des luxemburgischen Parlaments und der Regierung hin. Im Juni 2015 hatten sich die Politiker offiziell bei der jüdischen Gemeinde für mögliche Fehler und Unterlassungen während der Nazi-Besatzung entschuldigt.

Bis zum Sommer 1943 wurden aus Luxemburg knapp 700 jüdische Männer, Frauen und Kinder in die Ghettos und Vernichtungslager Osteuropas deportiert. Über 500 weitere aus Luxemburg stammende Juden wurden aus Belgien und Frankreich dorthin verschleppt. Nur etwa 70 von ihnen überlebten die Verbrechen des Nazi-Regimes.