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25.10.2016

Die Stimme in allen Farben

Fritz Spengler (l.) und Frauke Burg als Oberon und Titania in „A Midsummer Night‘s Dream“.
Fritz Spengler (l.) und Frauke Burg als Oberon und Titania in „A Midsummer Night‘s Dream“. Ihr Streit in der Oper hat Auswirkungen auf die gesamte Welt. Foto: Edouard Olszewski
Frauke Burg und Fritz Spengler glänzen zur Zeit als Titania und Oberon in der Oper „A Midsummer Night‘s Dream“ auf der Großen Bühne des Theaters. Beide Sänger äußern sich in einem Interview über die besonderen Herausforderungen ihrer jeweiligen Partie.

Die Rahmenhandlung für Benjamin Brittens Oper ist der Streit zwischen Titania und Oberon. Was für ein Paar sind die beiden?

Spengler: Man kann die Beziehung der beiden als permanenten Ehestreit bezeichnen, der Auswirkungen auf die ganze irdische Welt hat. Bei den beiden haben Jahrhunderte keinen Wert mehr. Der Ehestreit zieht sich über Jahrhunderte und bringt die Jahreszeiten auf der Welt durcheinander, verursacht sogar Naturkatastrophen.

Burg: Die Uhren ticken bei uns anders. Für uns ist eine Sekunde gleichzusetzen mit Jahrtausenden bei den Menschen. Der Streit ist für uns extrem, weil die Jahrtausende uns abgestumpft haben. Vielleicht ist Oberon deswegen so grausam, da er für menschliche Gefühle zu abgestumpft ist.

Für euch als Künstler passen eure Partien genau in euer Fach. Warum ist das so?

Burg: Britten hat für „A Midsummer Night‘s Dream“ bewusst die höchste Frauen- und die höchste Männerstimme gewählt. Er wollte einen überirdischen, unnatürlichen Klang erzeugen. Für meine Zeit am Theater Trier ist diese Partie die erste, die explizit für Koloratursopran geschrieben wurde. Das wirkt auf den ersten Blick komisch, wenn man sich die Noten anschaut. Dort ist die Partie gar nicht so hoch. Es gibt dagegen Koloraturpartien, die deutlich höher gehen. Dieser Umstand birgt für mich viele Herausforderungen in sich. Gerade in Titanias animalischen Stellen braucht man die Stimme in allen Farben. Während der Verzauberung enthält der Gesang Koloraturen mit Stakkatoläufen. Das passt auch zur Darstellung von Titanias Kampf zwischen ihrem Willen und dem Zauber. Der Gesang macht den Kampf in verschiedenen Lagen mit Stimmfarben hörbar. Diese Vielseitigkeit finde ich als Sängerin attraktiv und herausfordernd.

Spengler: Brittens Werk ist auch die erste moderne Oper, die für einen Countertenor geschrieben wurde. Countertenöre wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der „Neuen Musik“ im Opernfach wieder vermehrt als Solisten eingesetzt, 1960 dann in „A Midsummer Night‘s Dream“. Die Partie des Oberon zieht durchs gesamte Stück. Er ist der einzige, der alle Welten mit Puck zusammen begleitet. Auch der Countertenor singt in Brittens Oper nicht die ganze Zeit Koloratur, sondern auch tiefere Töne. Dies passiert in Szenen, in denen Oberons animalische Natur zum Vorschein kommt. Hier hört man eher kalte, schwere Töne. In sexuellen Momenten wiederum kommen große, lange Phrasen zum Vorschein. Auch zarte, warme und schwebende Töne erklingen. Die Musik bringt insgesamt ganz verschiedene Gefühlsmomente hervor.

Wie verhält sich die Orchestermusik zu eurem Gesang?

Burg: Jede unsere Figuren vereint verschiedene Instrumentarien auf sich. Da meine Figur eher für die magische Welt steht, begleiten mich das Glockenspiel, die Harfe und die hohe Geige. Für Oberon ist es die Celesta. So bekommen wir unsere eigene Musik, die mehr erzählt als Worte es je könnten. Im ersten Moment muss man sich an die Klänge gewöhnen. Wenn man sich darauf einlässt, wird man begeistert sein.

Spengler: Auch mir und den Orchestermusikern ging es so, dass wir uns an die Klangwelt erst gewöhnen mussten. Die Komposition ist schließlich hochmodern. Nach den ersten fünf Proben merkten wir schließlich: Das Ergebnis ist wunderschön. Shakespeares „Sommernachtstraum“ als solcher ist schon genial. Durch die Musik kommt eine weitere Ebene hinzu, oft kommentiert sie den Gesang. Die Verbindung schafft Unglaubliches.

Das Gespräch führte Dominik Huß

  • Letzte Aufführungstermine: „A Midsummer Night‘s Dream“ ist noch am Dienstag, 25., 19 Uhr, Freitag, 28., 19 Uhr, und Sonntag, 30. Oktober, 18 Uhr, im Großen Haus des Theaters zu sehen.