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15.03.2016

Miteinander ins Gespräch kommen

Foto: Barbara Baumann schaut aus dem Fenster ihres Büros im Haus Nummer 5 in der Magnerichstraße
Barbara Baumann schaut aus dem Fenster ihres Büros im Haus Nummer 5. Mit ihren Angeboten im Rahmen der Gemeinwesenarbeit möchte sie die Menschen der Magnerichstraße erreichen.
Die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen ist ein Ziel der Gemeinwesenarbeit (GWA). In Trier gibt es sie mit spezifischen Ausprägungen und Entstehungsgeschichten in verschiedenen Stadtteilen. Die Rathaus Zeitung stellt die fünf Standorte vor. In der heutigen Ausgabe steht die Magnerichstraße in Pallien im Fokus.

Vor dem Haus mit der Nummer 5 stehen alte Plastikstühle auf gerissenem Asphalt, auf dem Boden liegt Müll: festgetretene Verpackungen von Silvesterböllern, die nur noch schwer zu entfernen sind. Dazwischen Kinderspielzeug: ein Dreirad und ein Plastiktraktor. In der Luft liegt ein schwerer Geruch von Verbranntem, für den wohl die Öfen in den Wohnungen verantwortlich sind. Eine weiß-braun getigerte Katze sitzt auf der Fensterbank, genießt die Sonnenstrahlen an diesem kalten Winternachmittag und putzt sich. Hier – in der Magnerichstraße – hat Barbara Baumann ihr Büro, im Erdgeschoss des Hauses mit der Nummer 5. Sie ist verantwortlich für die Gemeinwesenarbeit in der Straße in Pallien und sie weiß, dass es hier bis vor einigen Jahren noch ganz anders aussah. „Es gab ein sehr gut funktionierendes Gemeinwesen, kleinbürgerliche Strukturen und viele Angestellte von Bahn und Post lebten hier“, erläutert sie. Als die Häuser dann in städtischen Besitz übergingen, wurden sie überwiegend für die Belegung mit Notfällen genutzt, also beispielsweise Menschen, die vom Vermieter wegen ausbleibender Mietzahlungen aus ihrer früheren Wohnung rausgeklagt und dann woanders untergebracht werden mussten. Die veränderte soziale Struktur führte zu Konflikten: „Da sind Welten aufeinandergeprallt“, sagt Baumann.

Wie aus einer Studie des städtischen Sozialdezernats zur GWA und zum Quartiersmanagement von November 2014 hervorgeht, beklagten sich die nahegelegene Grundschule Pallien und die Kita Maria Königin zunehmend über soziale Konflikte mit Kindern und Jugendlichen aus der Magnerichstraße. Auch sei es zu regelmäßigen Sachbeschädigungen an Gebäuden und Außenanlagen gekommen. Als Reaktion auf diese Entwicklungen richtete die Stadt 2006 eine Teilzeitstelle mit jährlicher Befristung für aufsuchende Jugendsozialarbeit und Gemeinwesenarbeit in Kooperation mit dem Jugendwerk Don Bosco ein. Dies zeigte Wirkung: Durch Angebote für Jugendliche und Erwachsene gingen die Konflikte zurück und die Situation entspannte sich. 2010 wurde die Kinder- und Jugendarbeit vollständig an Don Bosco übertragen und die GWA fokussierte sich auf die Arbeit mit Erwachsenen. Jedoch nicht, ohne die Jüngeren aus dem Blick zu verlieren: „Wir haben regelmäßig Kooperationsprojekte mit Don Bosco für Kinder und Erwachsene“, informiert Baumann und verweist auf das vor kurzem stattgefundene Frühlingsfest: Ein Angebot für Kinder und Erwachsene, bei dem gemeinsam gekocht wurde und eine Nachtwanderung zur Mariensäule auf dem Programm stand.

Das Angebot der GWA beinhaltet unter anderem Beratungsgespräche, „vor allem zur Kommunikation mit Ämtern“, sagt Baumann. Aber auch die Vermittlung an Ärzte und die Hilfe bei persönlichen Dingen wie familiäre Probleme stehen im Fokus. „Ich kann auf unterschiedliche Art helfen, etwa durch wertschätzendes Zuhören, aber auch durch Techniken, welche die Menschen positiv bestärken können“, erläutert Baumann. Bei gravierenden Fällen vermittelt die Sozialpädagogin die Menschen an andere Stellen weiter. Sie weiß, wie schwierig es ist, an die Erwachsenen ranzukommen. Erschwert wurde die Kontaktaufnahme und Vertrauensbildung durch viele personelle Wechsel der GWA-Stelle. Baumann ist seit 2014 mit sieben Stunden pro Woche in der Magnerichstraße vertreten. „Da ist nicht sehr viel Zeit für Begegnungen“, sagt sie. Deswegen ist sie vor allem im Sommer, wenn viele Menschen draußen sind, unterwegs und verteilt die Stadtteilzeitung „ÜberBrücken“: „Ein guter Anknüpfungspunkt, um ins Gespräch zu kommen.“ Die Sozialpädagogin weiß aber auch, dass die Ideen der GWA, die mitunter in Kooperation mit der Kita Maria Königin, der Grundschule und dem Jugendwerk Don Bosco entwickelt werden, nicht immer auf Resonanz bei den Anwohnern stoßen. Ein Treffen, das jedoch seit Jahren beliebt ist, ist das wöchentliche Frauenfrühstück, zu dem Frauen aus der Straße und sogar welche, die mittlerweile woanders wohnen, zusammenkommen.

Draußen unterwegs

Die städtischen Wohnungen in der Magnerichstraße befinden sich teilweise in einem maroden Zustand. Mit einem Stadtratsbeschluss zur Sanierung vom November 2014 ist dieses Problem angegangen worden: So startete die umfassende Sanierung des Hauses Nummer 2. Auch 1/3 wird saniert. Die GWA war gefragt, da mit dem Beschluss auch die Verunsicherung bei den Mietern kam. „Wir haben viele Gespräche mit den Bewohnern geführt, denn sie wollten sicher sein, dass sie nach der Sanierung wieder dort einziehen dürfen und sich die Miete nicht erhöht“, erzählt Baumann. Auch das GWA-Büro musste mit dem Start der Sanierung in das Haus Nummer 5 umziehen. „Die Sanierung ist sehr wichtig, da sie ein Ausdruck der Wertschätzung gegenüber der Bevölkerung ist“, sagt sie.

Doch auch danach bleiben Herausforderungen, etwa die Gesundheit der Anwohner. Hier kooperiert die GWA mit Hedi Weber, einer ehemaligen Krankenschwester, die jetzt als Gesundheitsberaterin in der Straße unterwegs ist und neben praktischen Tipps auch versucht, zur Bewegung zu animieren. So ist geplant, eine Sitzgymnastikgruppe anzubieten. Eine weitere Herausforderung sind viele Vorbehalte, die es unter den Menschen in der Magnerichstraße gebe, was in Grüppchenbildungen und Konflikten resultiere.

Um die Situation der Menschen zu verbessern, möchte Barbara Baumann Brücken zu Bewohnern umliegender Straßen bauen, etwa den Studenten, die „Im Hospitalsfeld“ leben. Auch animiert sie die Menschen dazu, ihre Straße einmal zu verlassen und beispielsweise eines der zahlreichen Angebote im Dechant-Engel-Haus der Caritas in der Eurener Straße in Trier-West zu nutzen. Ein Fußweg von gut 15 Minuten. Aber sie weiß: „Die Neugierde, etwas Neues kennenzulernen, fehlt teilweise.“ Auch wenn das Neue nur einige Minuten entfernt ist.gut