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08.03.2016

Sprachrohr für die Bewohner

Foto: Ausflug des Seniortentreffs am Dechant-Engel-Haus
Seniorenausflüge, wie dieser nach Herrstein im Jahr 2014, gehören zu den vielfältigen Angeboten der Gemeinwesenarbeit in Trier-West. Foto: GWA Trier-West
Die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen ist ein Ziel der Gemeinwesenarbeit (GWA). In Trier gibt es sie mit spezifischen Ausprägungen und Entstehungsgeschichten in verschiedenen Stadtteilen. Die Rathaus Zeitung stellt die fünf Standorte vor. Nachdem vergangene Woche das Bürgerhaus Trier-Nord im Fokus stand, ist es heute das Dechant-Engel-Haus (DEH) in Trier-West.

„Anfangs war es noch schwierig, die Bewohner verschiedenener Straßen zusammenzubringen. Doch im Lauf der Jahre hat sich das Publikum bei uns gemischt“, erzählt Dagmar Burrozadeh, Mitarbeiterin der Caritas und Verantwortliche für die GWA im Bering der ehemaligen Gneisenauskaserne sowie der angrenzenden Straßen in Trier-West. Dass die gegenseitige Ablehnung abgebaut werden konnte, führt sie auch auf die GWA mit ihren zahlreichen Angeboten zurück. Bei gemeinsamen Festen, Ausflügen und einem regelmäßigen Bewohnerfrühstück gibt es Begegnungen, die Menschen treffen und unterhalten sich. Auch im Bereich Bildung bietet die GWA Hilfestellungen: Ein offener Lerntreff, das „Komm C@fé“, hilft bei Fragen zu Bewerbungen und vielem mehr und eine kleine Bibliothek lädt zum Ausleihen von Büchern und zum Schmökern ein.

Daneben ist die Seniorenarbeit mit gemeinsamen Nachmittagen und einer Gruppe für Sitz- und Wassergymnastik ein weiterer Schwerpunkt der GWA. „Unsere Angebote tun den Menschen gut, sie bieten die Möglichkeit, aus den eigenen vier Wänden rauszukommen, sich zu treffen und miteinander zu reden“, sagt Burrozadeh. Die Beratung und Unterstützung aller Bewohner des Gebiets ist ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit von ihr und zwei Kolleginnen. Sie helfen bei bürokratischen Fragen, setzen Schreiben auf, überprüfen Bescheide und helfen dabei, den teils komplizierten Schriftverkehr mit Ämtern zu verstehen. „Wir versuchen, den Leuten da zu helfen, wo Schwierigkeiten sind“, sagt sie. Und die Schwierigkeiten scheinen nicht weniger zu werden. Die Sozialpädagogin arbeitet seit 16 Jahren im DEH und weiß um den großen Unterstützungsbedarf der Bewohner bei immer komplizierter werdenden Bescheiden, etwa von der Arbeitsagentur. Das Vertrauen in die Hilfe der Einrichtung in der Eurener Straße ist groß: „Das DEH ist im Stadtteil akzeptiert. In der Regel kommen die Leute von sich aus zu uns“, weiß Burrozadeh.

Vielfältige Problemlagen

Trier-West ist ein Stadtteil, der durch komplexe materielle, soziale und familiäre Probleme sowie unzulängliche Wohnbedingungen geprägt ist. Entstanden sind die sozialen Probleme durch die Nutzung der Kasernen als Notunterkünfte nach den Weltkriegen, was zu einer Konzentration von Menschen in Problemlagen führte. Aus diesem Grund wurde schon Anfang der 1960er Jahre die Notwendigkeit von sozialer Arbeit im Kasernenbering deutlich. Caritas, Ortsbeirat und Kommune entwickelten ein Konzept und verschiedene Schritte zur Lösung der Wohnungs- und sozialen Problematik wurden unternommen. Ende der 60er-Jahre starteten sozialpädagogische Angebote und die Gemeinwesenarbeit.

Die GWA helfe den Menschen, indem sie ihre Interessen vertrete und sie zum eigenständigen Artikulieren selbiger ermutige, erläutert Burrozadeh. „Wenn etwas schiefläuft, ist die GWA das Sprachrohr der Bewohner“, betont sie. Etwa als 2009 die Gärten in Trier-West in der Nähe des Dechant-Engel-Hauses aufgelöst werden sollten und dagegen erfolgreich eine Unterschriftenaktion gestartet wurde.

Spricht die erfahrene Sozialpädagogin über die Herausforderungen des Stadtteils, dann erzählt sie von „viel Frustration“, die es unter den Bewohnern gebe. Trotz der Förderung von Trier-West im Rahmen des Programms Soziale Stadt, mit dem unter anderem Wohnraum saniert und ein attraktives Umfeld geschaffen werden soll, seien viele Menschen entmutigt, weil sich ihrer Meinung nach zu wenig tue. „Im Bereich Wohnen und Wohnumfeld muss wieder was passieren“, bekräftigt Burrozadeh. Auch die Altersarmut ist eine Herausforderung im Stadtteil. Viele Bewohner sind aufgrund ihrer kleinen Rente zusätzlich auf Grundsicherung angewiesen. Mit der Unterbringung von Asylbegehrenden in der Jägerkaserne seit letztem Jahr ist auch das Thema Flüchtlinge im Stadtteil angekommen. „Die Vorurteile sind teilweise stark ausgeprägt, es gibt aber auch Verständnis für Flüchtlinge“, weiß Burrozadeh aus ihrer täglichen Arbeit. Um bestehende Vorurteile abzubauen und die Menschen zusammenzubringen, plant sie einen interkulturellen Treff. Voraussichtlich ab diesem Sommer sollen Flüchtlinge und Einheimische einmal pro Monat zusammenkommen und sich kennenlernen.gut