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17.05.2016

"Es gibt keinen idealen Standort"

Foto: Illustration Straßenprostitution
Als Stadt mit über 50.000 Einwohnern muss Trier Flächen zur Straßenprostitution ausweisen. Dies ist nach dem aktuellen Beschluss des Stadtrats in der Bitburger und der Ruwerer Straße möglich. In letzterer jedoch nur in der Zeit zwischen 22 und 4 Uhr. Bei dem Bild handelt es sich um eine Montage.
In welchen Straßen soll in Trier Straßenprostitution erlaubt sein? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Stadtrat in seiner vergangenen Sitzung und beschloss, dass die Damen sowohl in der Bitburger als auch in der Ruwerer Straße ihre Dienste anbieten dürfen. Neben der Straßenprostitution befasste sich der Rat auch mit Bordellen: Mithilfe eines baurechtlichen Konzepts soll die Ansiedlung solcher Betriebe gesteuert und auf die bereits jetzt bestehenden Standorte beschränkt werden.

Mit einer Mehrheit von 28 Stimmen (6 CDU, 11 SPD, 9 Grüne,1 FDP und Oberbürgermeister Leibe) hat der Stadtrat einer Neuabgrenzung des Sperrbezirks für die Straßenprostitution zugestimmt. 19 Ratsmitglieder stimmten dagegen (12 CDU, 3 FWG, 2 Linke, 2 AfD). Die neue Regelung sieht vor, dass die Damen künftig neben der Bitburger auch in der Ruwerer Straße zwischen der Eisenbahnbrücke und der Einmündung des Radwegs ihre Dienste anbieten können. Allerdings nur in der Zeit zwischen 22 und 4 Uhr. Darüber hinaus sollen keine weiteren Straßen für die Prostitution ausgewiesen werden. Die Kontrolle übernehmen Ordnungsamt und Polizei. Der Beschluss sieht auch vor, dass Verwaltung und Polizei die weitere Entwicklung der Straßenprostitution – insbesondere in der Ruwerer Straße – beobachten und dem zuständigen Dezernatsausschuss nach einem Jahr Bericht erstatten.

In einem Pressegespräch am vergangenen Montag hatte der zuständige Dezernent Thomas Egger bereits auf die zeitliche Begrenzung hingewiesen, die den Bedenken von Anwohnern und Pendlern Rechnung trage. „Die zeitliche Eingrenzung, die es auch in anderen Städten gibt, ist juristisch sauber“, betonte er. Der im Laufe der Beratungen aufgekommene Vorschlag, die Monaiser Straße ebenfalls für Straßenprostitution zuzulassen, habe man verworfen, erläuterte Egger. „Die Straße ist nicht geeignet, sie ist zu abgelegen und es gibt keine soziale Kontrolle.“ OB Wolfram Leibe betonte bei dem Pressegespräch, er halte die nun getroffene Regelung für „sehr konstruktiv“. „Es gibt keinen idealen Standort, der alle glücklich macht“, betonte Leibe und informierte, als Stadt mit über 50.000 Einwohnern sei Trier nun mal verpflichtet, Straßenprostitution zuzulassen.

Harald Thein-Regelin (FWG), stellvertretender Ortsvorsteher von Ruwer/Eitelsbach, machte die Ablehnung der Vorlage von Seiten des Ortsbeirats deutlich: „Aufgrund der Fahrweise der vielen Freier kommt es zur Behinderung des Straßenverkehrs“, betonte er und ergänzte, die zeitliche Eingrenzung führe zu einer Konzentration der Freier. Auch bemängelte er deren Hinterlassenschaften wie etwa benutzte Kondome und ähnliches.

Stimmen der Fraktionen

Thomas Albrecht (CDU-Fraktion) hob die Mühe der Verwaltung hervor, einen Kompromiss herbeizuführen, er kritisierte die Vorlage jedoch als „unbefriedigende Lösung“. Er bezweifele, dass die Vorlage gerichtsfest sei. Ein Teil der Fraktion werde „schweren Herzens zustimmen, jedoch nicht alle“. Dr. Maria Duran- Kremer (SPD-Fraktion) signalisierte die Zustimmung ihrer Fraktion. Sie erhoffe sich, dass mit der Annahme der Vorlage ein Schlusspunkt der Diskussion zu diesem Thema herbeigeführt werde. Auch wies sie auf die Legalität der Straßenprostitution in Deutschland hin. Christiane Wendler (Grünen-Fraktion) hielt die Vorlage für „akzeptabel“, von der zeitlichen Begrenzung zeigte sie sich jedoch nicht überzeugt.

Margret Pfeiffer-Erdel (FWG-Fraktion) lehnte die Vorlage unter Verweis auf Wohnhäuser im Bereich des Straßenstrichs ab. „Die Bürger Ruwers werden dies nicht weiter tolerieren“, betonte sie. „Viele Ratsmitglieder heben heute nur ihre Hand, weil es ihren Stadtteil nicht betrifft“, sagte Pfeiffer-Erdel. Ihre Fraktion spreche sich einzig für die Bitburger Straße als zulässiges Gebiet für Straßenprostitution aus. Susanne Kohrs (Linken-Fraktion) kritisierte die Vorlage als „nicht hilfreich“, da sie nicht das Problem der Verschmutzung löse und auch nicht dem Schutz der Frauen Rechnung trage. Michael Frisch (AfD-Fraktion) sprach sich dafür aus, die Straßenprostitution soweit wie möglich zurückzudrängen. Er plädierte dafür, die Interessen der Anwohner zu beachten und stimmte dem Ortsbeirat Ruwer in der Ablehnung des Antrags zu. Auch er sprach sich einzig für die Bitburger Straße als zulässigen Straßenstrich aus. Katharina Haßler (FDP-Fraktion) stimmte der Vorlage zu, äußerte sich jedoch kritisch zur zeitlichen Begrenzung: „Wie soll das kontrolliert werden? Stellt die Stadt etwa Stechuhren auf?“, fragte sie ironisch.

Keine zusätzlichen Bordelle

Zur Verhinderung der Ansiedlung neuer Bordelle hat die Stadt in den vergangenen Jahren insgesamt 42 Bebauungspläne aufgestellt, davon sind 24 inzwischen rechtskräftig. Das Baudezernat will damit verhindern, dass sich das mit Prostitution verbundene Schmuddelimage auf ein gesamtes Gewerbe- oder Wohngebiet überträgt. „Trading Down“ heißt dieser Effekt in der Fachsprache.

Rein rechtlich gesehen befindet sich das Rathaus damit jedoch auf unsicherem Terrain. Denn zumindest in Gewerbegebieten sind Bordelle und Laufhäuser grundsätzlich zulässig. Mit dem vom Stadtrat mit großer Mehrheit verabschiedeten „Konzept zur bauplanungsrechtlichen Steuerung von Bordellen und bordellartigen Betrieben“ gibt es nun einen Leitfaden, der bestimmte Standorte für Bordelle anhand von nachvollziehbaren Kriterien festlegt und andere ausschließt. Künftige Bebauungspläne können sich an diesen Vorgaben orientieren.

Inklusive Wohnungs- und Straßenprostitution gibt es derzeit circa 170 Sexarbeiterinnen in Trier. Damit liegt die Stadt im Verhältnis zur Einwohnerzahl deutlich über dem Schnitt in deutschen Großstädten. Das Konzept geht deshalb davon aus, dass der Bedarf an dieser Dienstleistung in Trier mehr als gedeckt ist, sodass möglichst keine neuen Standorte hinzukommen sollen. Die bestehenden Bordelle konzentrieren sich im Industriegebiet Trier-Nord und in der Karl-Marx-Straße, daneben gibt es einzelne Betriebe in der Luxemburger Straße und am Hauptbahnhof. Das Spektrum reicht vom „Eros-Center“ mit schätzungsweise 32 Sexarbeiterinnen bis zur „Herz-Dame“ mit nur einer Prostituierten. Für zehn Betriebe in den genannten Gebieten mit insgesamt rund 100 Arbeitsplätzen gewährt das Konzept einen Bestandsschutz. Rund ein Dutzend weiterer Bordelle, die ohne Baugenehmigung eröffnet wurden, könnten dagegen bald ins Visier der Bauaufsicht geraten.

Aus diesem Grund stimmte die Linke als einzige Fraktion gegen die Vorlage. „Zehn bis 15 Betriebe müssten geschlossen werden. Prostituierte würden damit in die Illegalität getrieben“, kritisierte Susanne Kohrs und griff damit ähnliche Vorbehalte auf,  die die städtische Frauenbeauftragte Angelika Winter und das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung Trier-Saarburg in ihren schriftlichen Stellungnahmen geltend gemacht hatten. Die Schließung von Häusern könne dazu führen, dass Sexarbeiterinnen für die Gesundheitsberatung nicht mehr erreichbar seien.