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29.11.2016

Aufbruch in das Neue

Hamid Reza Yousefi
Hamid Reza Yousefi.
Als junger Mann kam Hamid Reza Yousefi vor 26 Jahren aus der iranischen Hauptstadt Teheran nach Deutschland und ließ das Land seiner Kindheit hinter sich. Ebenfalls war es ein Land, das durch die Kriegsjahre traumatisiert war, keine echte Perspektive bot und in dem „die Menschen verwelkten“, wie er sagt. Im Gegensatz dazu präsentierte sich Deutschland in alten iranischen Geschichten und Erzählungen als „wunderschönes Land, in dem die Menschen Willensstärke und Durchsetzungskraft“ haben.

Bei einem Freund in Frankfurt am Main untergekommen, traf Yousefi auf iranische Landsleute. Deren Art zu leben war zu seinem Bedauern jedoch genau das Gegenteil von dem, was er sich von Menschen erhoffte, die in

einer anderen Kultur ankommen wollen. Anstatt Teil dieser Gruppe zu werden und den Kontakt zur restlichen Gesellschaft zu vermeiden, konzentrierte er sich darauf, aus tiefem Interesse für beide Kulturen  am eigenen Horizont zu arbeiten. Die logische Konsequenz war, in Deutschland einen Neuanfang zu wagen.

Der wohl wichtigste Wegbegleiter dabei war der deutsche Fundamentaltheologe Adolf Kolping, dem er wie durch einen Zufall in Bonn begegnete. In ihm hat er nicht nur einen fachlichen Mentor gefunden, sondern in gewisser Weise auch eine Vaterfigur. Durch seinen Zuspruch hat Yousefi Deutsch gelernt, das Abitur gemacht und nach einem Studium und Promotion der Philosophie und Pädagogik an der Universität Trier in Koblenz habilitiert. Yousefi ist Autor zahlreicher Fachbücher über grundlegende Fragen der Ethik, Menschenrechte, Religionswissenschaft sowie Toleranz und Praxis der interkulturellen Kommunikation.

Eine ebenfalls prägende Persönlichkeit ist der Hamburger Mathematik-Professor Peter Gerdsen, der ihn wie ein „Bruder im Geiste“ begleitet. Die enge Verbundenheit mit anderen Philosophen wie Hans Küng spiegelt Yousefis Überzeugung wieder, dass „Menschen füreinander geboren sind“, um Unterschiede konstruktiv aufzunehmen und sich miteinander zu entwickeln. Nur so können sich Menschen und Gesellschaft nach vorne bewegen, denn „selber denken macht schlau“. Diese Idee ist auch für Inte-

gration wichtig, die Yousefi als „beidseitigen Vorgang“ beschreibt. Wichtig seien das Selbstverständnis und die Wahrnehmung der eigenen Identität, die dann auf die jeweils andere Seite projiziert wird. Nur so könne ein toleranter Dialog entstehen, bei dem ein Jeder sich selbst treu bleiben kann.

Wurzeln nicht vergessen

Seinen Lebensweg hat Yousefi schon mit 44 Jahren in seiner Autobiographie reflektiert und festgehalten. Seine Geschichte ist das Paradebeispiel einer interkulturellen Philosophie: der eines Iraners, der aus Liebe zu einer Kultur in ein anderes Land aufbricht, dort eine zweite Heimat findet und dabei die eigenen Wurzeln nicht vergisst. Schubladendenken lehnt er dabei ganz klar ab: „Abgrenzen ist in Ordnung, solange es kein Ausgrenzen ist. Auch, wenn man bestimmte Einstellungen selbst nicht unterstützen kann, so sollten sie zumindest zum eigenen Nachdenken anregen.“

Mit Sicht auf Deutschland und die Entwicklungen des letzten Jahres ist Yousefi positiv gestimmt: „Die Integration der vielen Geflüchteten kann erfolgreich sein, wenn ihnen Einstellungen und Meinungen nicht aufoktroyiert werden, sondern stattdessen Raum zum selbst Denken bleibt. Oberstes Ziel muss es sein, dass alle Bürger für Recht und Ordnung einstehen und für sich und andere Verantwortung übernehmen. Das Potenzial ist da, wir müssen nur wollen“, sagt er.

Deutschland, das steht für Yousefi völlig außer Frage, ist schon lange Heimat geworden. Ausschlaggebend für dieses Gefühl sei, die eigene Identität wahrzunehmen. Als „Aufklärer und Brückenbauer im Sinne Goethes“ hat er einen wichtigen Teil seiner Identität in Deutschland wiedergefunden.