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21.03.2017

"Demokratie kommt nicht von allein"

Mit sichtlicher Freude nahm Franz Müntefering aus den Händen von Oberbürgermeister Wolfram Leibe den Oswald von Nell-Breuning-Preis entgegen.
Mit sichtlicher Freude nahm Franz Müntefering aus den Händen von Oberbürgermeister Wolfram Leibe (rechts) den Oswald von Nell-Breuning-Preis entgegen. Foto: Jacobs

Als Anerkennung für dessen vielfältiges und stets handlungsorientiertes sozialpolitisches Engagement hat Oberbürgermeister Wolfram Leibe den Oswald von Nell-Breu-ning-Preis der Stadt Trier an Franz Müntefering verliehen. Der frühere Vizekanzler und SPD-Vorsitzende zeigte in seiner Dankesrede auf, wie aktuell Nell-Breunings Sicht auf die Gesellschaft heute noch ist.

„Niemand ist ohne Verantwortung, solange der Kopf klar ist.“ Ausgehend von diesem Nell-Breuning-Zitat rief der 77-jährige Preisträger dazu auf, sich politisch zu engagieren: „Wir sind nicht allmächtig, aber auch nicht ohnmächtig. Die Demokratie, der Rechts- und Sozialstaat, die Gleichberechtigung und der Frieden in Europa sind nicht von allein gekommen, sondern wurden von Menschen gestaltet.“ Mit seinem Appell, sich einzumischen, damit „nicht die Bekloppten in diesem Land das Sagen haben“, erntete Müntefering bei den Besuchern der Feierstunde im Kurfürstlichen Palais lang anhaltenden Applaus.

Mit dem Oswald von Nell-Breu-ning-Preis, der mit 10.000 Euro dotiert ist, dokumentiert die Stadt Trier ihre Verbundenheit mit ihrem früheren Ehrenbürger, der als Begründer der Katholischen Soziallehre gilt. „Wir bleiben uns der Verantwortung gegenüber seinem herausragenden Lebenswerk bewusst“, betonte OB Leibe, der zugleich Vorsitzender des Preisgerichts ist, in seiner Begrüßungsansprache. Im Sinne Nell-Breunings habe Müntefering immer wieder „die Kriterien von Ethik und Moral in der Wirtschaft angemahnt und das Recht auf menschenwürdige Arbeit eingefordert“. Mit dem von ihm geprägten Begriff der „Verantwortungssolidarität“ beziehe er Stellung zu aktuellen Herausforderungen, beispielsweise in der Flüchtlingsfrage, beim Mindestlohn oder für eine gerechte Honorierung von Fürsorge- und Pflegeleistungen. „Sie haben immer wieder soziales Empfinden in konkretes Handeln umgesetzt und dabei in schwierigen Zeiten Standing bewiesen“, sagte Leibe.

„Allzweckwaffe“ der SPD

Die Präsidentin des bayerischen Landtags und frühere Sozialministerin Barbara Stamm beschrieb Müntefering in ihrer Laudatio als „Vertreter einer werteorientierten Politik, die immer vor allem eines im Blick haben muss: Den Zusammenhalt der Menschen, die Solidarität untereinander“. Dabei verkörpere der Preisträger eine „Grundhaltung, die sich nicht im Reden erschöpft, sondern mit anpacken will“. Die CSU-Politikerin ließ die Lebensstationen sowie die zahlreichen Regierungs- und Parteiämter des gebürtigen Sauerländers, der 1975 erstmals in den Deutschen Bundestag einzog, Revue passieren und konstatierte: „Vordrängen mussten Sie sich nicht. Sie waren vielmehr immer eine Art Allzweckwaffe, die die SPD jederzeit aus dem Köcher holen konnte.“

Im Anschluss an die Preisverleihung trugen sich Müntefering und Stamm in das Goldene Buch der Stadt Trier ein. Die  Veranstaltung im voll besetzten Rokokosaal des Kurfürstlichen Palais wurde vom Swingsextett des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums (FWG) mit den Schülern Maximilian Viehl, Gabriel Wagner, Leah Robling, Magdalena Krupp, Moritz Krüger und Philipp Kaster unter der Leitung von Stefanie Lamberti musikalisch gestaltet. Das FWG ist die Nachfolgeschule des ehemaligen Jesuitenkollegs, an dem Nell-Breuning 1908, wie 73 Jahre vor ihm Karl Marx, seine Reifeprüfung ablegte.