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10.06.2008

Kampf um Freiheit, Macht und Liebe

Die Kostüme der Inszenierung schuf Carola Vollath. Foto: Lorig
Die Kostüme der Inszenierung schuf Carola Vollath. Foto: Lorig
Große italienische Oper zur Eröffnung der elften Trierer Antikenfestspiele! Mit Verdis „Nabucco“ wurde am Samstagabend im grandiosen weiten Rund des römischen Amphitheaters ein Werk aufgeführt, das mit seiner packenden Musik, beeindruckenden Massenarrangements und dramatischen Einzelauseinandersetzungen im Kampf der Hebräer gegen die Babylonier die knapp 1 500 Premierengäste, darunter viele Repräsentanten des öffentlichen Lebens, begeisterte. Inhaltlich geht es letztlich um die großen zeitlosen Themen von Freiheit, Menschenwürde, Macht und Liebe. Dabei wurde die geschickt genutzte und durch bengalische Beleuchtung noch gesteigerte Raumwirkung des einzigartigen historischen Areals voll zur Geltung gebracht. Einmal mehr erwies sich die Ungeschütztheit des Orchesters vor Wetterunbilden allerdings als großes Handicap für diese Spielstätte. So musste die Ouvertüre wegen eines Regenschauers kurzzeitig unterbrochen werden. Danach verlief die mit Spannung erwartete Premiere ohne weitere Zwischenfälle.

Bislang größte Produktion

Es ist mit knapp 90 Orchestermusikern einschließlich der Mitglieder für die Bühnenmusik, über 100 Choristen, darunter der Kirchenchor „Cäcilia“ und der MGV Rheinland aus Ehrang (Leitung: Jens Bingert/Reinhold Neisius), sowie rund 50 Statisten die bislang größte Produktion, die die finanzgebeutelten Antikenfestspiele jemals stemmten. Zum „Hauch von Verona“ tragen auch die stilvollen historisierenden Kostüme (Carola Vollath) bei.

Im Fokus des Interesses standen die 100 Exemplare der legendären „Trash people“, lebensgroße Müllmenschen des Aktionskünstlers HA Schult. Sie verleihen dieser „Nabucco“-Inszenierung ihre eigenständige, unverwechselbar individuelle Note. Regisseur Gerhard Weber nutzte die im weiten Bühnenrund wie eine Armee in Reih und Glied aufgestellten Skulpturen für eine szenisch-dramatische Interpretation, die in erster Linie der Herausarbeitung des Gehalts des Stückes und weniger einem spektakulären und lediglich vordergründigem Open Air-Getöse diente.
 
Die „Trash people“ verkörpern die allgegenwärtige bedrohliche Macht der Babylonier und stellen als Symbol des Materialismus gleichzeitig eine Verbindung zur Jetztzeit her. Der weitgehende Verzicht auf  zusätzliche Requisiten dient dem Ansatz des Regisseurs, sich in der Auseinandersetzung mit den Themen des Stückes auf das absolut Wesentliche zu konzentrieren.

Am Gelingen der Aufführung hat die musikalische Wiedergabe von Verdis Frühwerk unter der Gesamtleitung von István Dénes herausragenden Anteil. Über weite Strecken hielt Dénes den riesigen musikalischen Apparat mit einem präzise und prägnant spielenden Philharmonischen Orchester sowie den intonationssicheren, klangschönen und erstaunlich agil mitspielenden Chören über die großen Entfernungen hinweg souverän zusammen. Die musikdramatischen Effekte und melodiösen Ensembles konnten sich somit voll entfalten.

Überzeugende Solisten

Insgesamt hochwertig und geschlossen präsentierte sich das Solistenensemble mit Mikolaj Zalasinski in der Titelrolle als einzigem Gast, der musikalisch und darstellerisch seinem Renommee gerecht wurde. Große Zustimmung fanden auch die mit hauseigenen Kräften besetzten weiteren Partien mit Gor Arsenian (Ismaele), Juri Zinovenko als Hohepriester Zaccaria, Vera Wenkert (Abigaille), Eva Maria Günschmann als Fenena, Lásló Lukács (Oberpriester des Baal), Peter Koppelmann als Abdallo und Evelyn Czesla als Anna.

Wohl denen, die diese Produktion möglichst im Amphitheater miterleben können. Für die Zusatzvorstellung am 25. Juni sind noch wenige Restkarten erhältlich. Eine Garantie für gutes Wetter gibt es allerdings nicht.