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10.10.2017 | Empfang Esther Bejarano

„Ich singe, bis es keine Nazis mehr gibt“

Esther Bejarano wurde auf der Bühne von ihrem Sohn Joram am Bass begleitet.
Esther Bejarano wurde auf der Bühne des Mergener Hofs unter anderem von ihrem Sohn Joram am Bass begleitet.

Die 92-jährige deutsch-jüdische KZ-Überlebende Esther Bejarano hat sich bei einem städtischen Empfang durch Bürgermeisterin Angelika Birk im Balkensaal des Mergener Hofs in das Gästebuch der Stadt Trier eingetragen. Im Anschluss gab sie mit ihrem Sohn Joram und Kutlu Yurtseven von der Kölner Band Microphone Mafia ein Konzert, das der Mergener Hof in Kooperation mit dem Verein für ein Buntes Trier, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der jüdischen Kultusgemeinde Trier veranstaltete.

Vor 170 Zuschauerinnen und Zuschauern sangen und rappten sie zu Dritt gegen Gewalt und Rassismus, spielten unter anderem Lieder aus dem Widerstand und dem jüdischen Ghetto. Zu Beginn des Konzerts las Bejarano eine halbe Stunde lang aus ihren Erinnerungen vor: Sie berichtete über ihren Transport zum Vernichtungslager Auschwitz, die Qualen, die sie und ihre Mitgefangenen dort erlitten, ihre Aufnahme als Akkordeonspielerin in das Mädchenorchester und wie sie spielen mussten, wenn neue Gefangene im Lager ankamen, die direkt ins Gas geschickt wurden. Erst bei einem Gefangenenmarsch kurz vor Kriegsende gelang ihr und einer Reihe Freundinnen im Frühjahr 1945 die Flucht.

Im Gästebucheintrag hielt die in Saarlouis geborene Bejarano ihre Freude darüber fest, in „diesem Teil Deutschlands zu sein“, in dessen Nähe sie aufgewachsen ist und für den sie noch große Heimatgefühle empfinde, und sie wünschte Frieden. Besorgt zeigte sie sich im Gespräch mit Bürgermeisterin Angelika Birk über das Abschneiden der AfD bei den vergangenen Bundestagswahlen und deren Willen, den Vorsitz des Kulturausschusses im Bundestag zu übernehmen, des Ausschusses, der auch für die KZ-Gedenkstätten zuständig ist. Es müsse verhindert werden, dass eine Partei, die das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichne und auch sonst „schreckliche Dinge“ sage, dort das Sagen habe, befand Bejarano.

Peter Szemere von der jüdischen Gemeinde Trier berichtete dem Ehrengast von der Ausstellung über „Jüdisches Leben in Trier“, die gerade in der Volkshochschule zu sehen ist und danach in verschiedenen Schulen. Bejarano erklärte daraufhin, sie berichte oft in Schulen von ihren Erfahrungen im Nationalsozialismus. Es sei zwar „schmerzhaft, aber wahnsinnig wichtig“, schließlich gebe es bald keine Zeitzeugen mehr. „Ich werde so lange singen und erzählen, bis es keine Nazis mehr gibt,“ fügte sie hinzu. Deshalb sei sie auch Patin zweier Schulen, die sich im bundesweiten Netzwerk „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ zusammengeschlossen haben. In Trier gebe es eine solche Schule noch nicht, bedauerte sie, und gab sich offen für weitere Patenschaften.

 
Bildergalerie
  • Esther Bejarano liest Angelika Birk, Katrin Werner, Kai Wichmann, Peter Szemere und Joram Bejarano den von ihr verfassten Gästebucheintrag vor.
  • Der Eintrag Esther Bejaranos in das Gästebuch der Stadt Trier.
  • Kutlu Yurtseven, Esther und Joram Bejarano sangen und rappten gemeinsam auf der Bühne.

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