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18.05.2015 | Gedenkfeier zum 75. Jahrestag

Bleibende Verantwortung für die NS-Deportation von Sinti und Roma

Kranzniederlegung zum 75. Jahrestag der NS-Deportation von Sinti und Roma
Der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Sinti und Roma, Jacques Delfeld, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Oberbürgermeister Wolfram Leibe und Bischof Stephan Ackermann (v.l.) legten Kränze zu Ehren der deportierten Sinti- und Roma-Familien nieder.
Mit einem Gottesdienst im Dom und einer anschließenden Kranzniederlegung auf dem Bischof-Stein-Platz haben am Sonntag der Landesverband Deutscher Sinti und Roma, das Bistum und die Stadt Trier gemeinsam der ersten großen Deportationen von Sinti- und Roma-Familien aus dem Reichsgebiet vor 75 Jahren durch die Nationalsozialisten, so auch aus Trier, gedacht. Die Redner befassten sich weniger mit der Schuldfrage, als vielmehr mit dem Gedanken der Verantwortung, die auch 75 Jahre nach dem entsetzlichen Geschehen bestehen bleibe.

„Trier hat das grauenvolle Schicksal der Sinti und Roma nicht vergessen. Unsere Stadt pflegt die öffentliche Erinnerung an begangenes Unrecht und mahnt zur Wachsamkeit“, sagte Oberbürgermeister Wolfram Leibe in einer kurzen Feier nach dem von Bischof Dr. Stephan Ackermann zelebrierten Hochamt, dem neben dem Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Sinti und Roma, Jacques Delfeld, auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Triers ehemaliger Oberbürgermeister Klaus Jensen beiwohnten. Zudem waren zahlreiche Stadtratsmitglieder der Einladung des Sinti- und Roma-Verbandes gefolgt.

OB Leibe bekannte sich zur bleibenden Verantwortung, die aus der Verschleppung und Ermordung in Trier lebendender Sinti und Roma durch die Nazis erwachse. Man sei 75 Jahre danach zusammen gekommen, um der „unschuldigen Opfer zu gedenken, ein öffentliches Bekenntnis abzulegen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt neu zu festigen“. Mit den Angehörigen der Opfer fühle man sich in Trauer und Scham tief verbunden, aber „auch im festen Bewusstsein, dass solche Verbrechen niemals mehr begangen werden dürfen“, bekräftigte Leibe.

Aus dem namenlosen Elend, das den Sinti und Roma zugefügt worden sei und dem Leid unschuldiger Menschen, die von den Nazis gequält und ermordet worden seien, folgerte Triers neuer OB eine „dreifache Verpflichtung für unser Gemeinwesen: begangene Schuld zu bekennen, das ehrfürchtige Gedenken an die Opfer zu pflegen und schließlich die rechtstaatliche Form unseres Zusammenlebens zu garantieren, wie sie aus dem hohen moralischen Anspruch vor der Unantastbarkeit der Würde des Menschen hervorgeht“.

Verbandsvorsitzender Delfeld erwähnte die Leiden seiner Volksgruppe unter den Nazis und charakterisierte die „Entmenschlichung“ als schlimmste der schrecklichen Gräuel. Nach dem Krieg sei den Überlebenden der Sinti und Roma dann vielfach die Unterstützung der Gesellschaft versagt worden. Die Kämpfe bei der Anerkennung um die Staatsbürgerschaft gehörten, so Delfeld, zu den „dunkelsten Kapiteln der Nachkriegszeit“. Erst 1982 sei die Leugnung des an den Sinti und Roma begangenen Unrechts mit der politischen Anerkennung der Nazi-Verbrechen als Völkermord beendet worden. Dankbar wertete Delfeld das Gedenken 75 Jahre nach den Deportationen als ein „Zeugnis für den Willen in unserer Gesellschaft, die NS-Völkermordverbrechen an Sinti und Roma in das historische Gedächtnis der Bundesrepublik einzubeziehen“, auch wenn nur noch wenige der Überlebenden diese moralische Anerkennung erfahren könnten.

In seiner Predigt hatte Bischof Ackermann zuvor bedauert, dass die deutschen Bischöfe während der NS-Diktatur nur in einem „allgemein gehaltenen Hirtenbrief“ gegen die Verfolgung der Sinti und Roma protestiert hätten. Mit den Pfarrern Arnold Fortuin und Johannes Maria Haw konnte Ackermann konkret auf den mutigeren Einsatz einzelner  Priester verweisen. Der Bischof sprach sich für die Übernahme von Verantwortungsbewusstsein aus und plädierte für die Beibehaltung der Erinnerungskultur, auch wenn diese oftmals eine schmerzliche Dimension habe. „Der Schmerz hält die Erinnerung wach und der Schmerz ist es auch, der vor dem Rückfall in alte Muster bewahren kann.“  Erinnerungsarbeit dürfe aber nie nur den Blick zurück richten, sondern biete „Hilfe und Anstoß für die Gegenwart“, sagte Ackermann vor dem aktuellen Hintergrund der Flüchtlingsschicksale. In Anlehnung an das Evangelium rief Ackermann dazu auf, Minderheiten Respekt zu zollen und „respektvoll mit den Fremden umzugehen“.