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17.03.2015

"Die Zeit als OB hat mich in vielerlei Hinsicht bereichert"

OB Klaus Jensen in seinem Büro am Augustinerhof
„Aus der Geschichte lernen heißt, extremistische Umtriebe sofort zu bekämpfen, auch wenn die Zahl derer, die sie vertreten, klein ist“, betont OB Klaus Jensen, dem der Kampf gegen Rechtsextremismus in jeglicher Form ein großes Anliegen während seiner Amtszeit war.
Die Triererinnen und Trierer wählten am 24. September 2006 im ersten Wahlgang Klaus Jensen mit 66,9 Prozent zum neuen Oberbürgermeister der ältesten Stadt Deutschlands. Der Sozialdemokrat wurde neben der SPD von Bündnis 90/Die Grünen unterstützt. Am 1. April 2007 begann Jensen als Nachfolger von Helmut Schröer (CDU) im Rathaus seine achtjährige Amtszeit als Chef der Verwaltung und Vorsitzender des Rates.

Im November 2013 kündigte Jensen an, dass er für eine zweite Wahlperiode nicht erneut kandidieren werde und entsprach damit einer früheren Aussage vor seiner Wahl. Die „Tatsache, dass ich am Ende meiner Wahlzeit 63 Jahre alt sein werde, hat bei der Entscheidung eine wesentliche Rolle gespielt“, bekräftigte der gebürtige Duisburger nochmals seinen Entschluss.

Im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ) blickt Klaus Jensen wenige Tage vor dem Ende seiner OB-Tätigkeit auf wichtige kommunalpolitische Ereignisse der vergangenen acht Jahre zurück und zieht dabei eine berufliche und persönliche Bilanz.

RaZ: Herr Jensen, wenn Sie in möglichst einem Satz Ihre achtjährige Tätigkeit als Oberbürgermeister der Stadt Trier zusammenfassen und sich dabei auf zwei inhaltliche Punkte beschränken müssten, was würden Sie dann sagen?

Jensen: Das geht natürlich nur in einem Bandwurmsatz, aber ich will es versuchen: Es ging darum, gemeinsam mit dem Stadtrat, der Verwaltung und Trierer Institutionen und Einrichtungen und unter Ausweitung der Beteiligungsinstrumente für die Bürgerinnen und Bürger Weichenstellungen für eine gesicherte Zukunft unserer Stadt vorzunehmen, wobei die Themen Gesundheitswirtschaft sowie Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im Fokus standen, genauso wie die ständige Aufgabe, Finanzmittel nach Trier zu holen, um den Haushalt zu konsolidieren.

Da möchte ich gerne einige Punkte herausgreifen, um nachzufragen. In Ihrer Antrittsrede im März 2007 haben Sie gesagt, „Politikferne und Politikverdrossenheit mit mehr Bürgerbeteiligung begegnen“ zu wollen. Was wurde konkret daraus?

Die Mitwirkungsinstrumente wurden erweitert. Zu der Fülle von Beteiligungsmöglichkeiten gehört zum Beispiel der Bürgerhaushalt. Das freigeschaltete Informationssystem trägt wesentlich zu mehr Transparenz bei. Mit der Internetplattform „trier-mitgestalten.de“ können sich Bürgerinnen und Bürger zu jeder Zeit mit Anregungen und Kritik an die Verwaltung wenden. Bürgerinformationen und Diskussionen vor Ort gehören heute zum kommunalpolitischen Alltag.

Wenn man die Wahlbeteiligungen zum Maßstab nimmt, hat die Politikverdrossenheit allerdings eher zu- als abgenommen. Nichtwähler begründen ihre Wahlverweigerung oft mit dem Hinweis, die Politiker hätten den Kontakt zu den Anliegen, Sorgen und Nöten der Bürgerinnen und Bürger längst verloren. Fühlen Sie sich damit auch angesprochen?

Nein, im Gegenteil. Ich hatte in den zurückliegenden acht Jahren nahezu täglich Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern, nicht zuletzt auch in meinen Bürgersprechstunden, die ich regelmäßig angeboten habe. Das gleiche gilt übrigens auch für die Mitglieder des Stadtrates oder der politischen Gremien. Der Vorwurf, Politiker hätten die Bodenhaftung verloren und keinen Bezug mehr zur Realität, ist für nicht wenige auch eine schlichte Ausrede, um ihr Desinteresse an der Kommunalpolitik zu rechtfertigen.

Ihr Nachfolger Wolfram Leibe kann sich auf knapp 16 Prozent der Trierer Wahlberechtigten stützen, die ihn direkt zum OB gewählt haben. Wie ist diese Entfremdung zwischen Wählern zu Gewählten zu erklären? Versagt die Politik, auch die Kommunalpolitik, oder wird die Politik von den Bürgerinnen und Bürgern in der Anspruchs- und Erwartungshaltung schlichtweg überfordert?

Natürlich müssen wir immer wieder selbstkritisch unser Handeln hinterfragen. Es werden dabei auch Fehler gemacht. Wir erleben allerdings auch auf allen Ebenen in unserer Republik, dass die Ansprüche steigen und die Durchsetzung einzelner Interessen in den Vordergrund rückt. Das sieht man bei der Diskussion über den Flächennutzungsplan oder die Schulentwicklung ganz deutlich. Der Gedanke des Gemeinwohls hat es oft schwer, wenn eigene Privilegien im Vordergrund stehen. Bei alledem sollten wir aber nicht unerwähnt lassen, dass bei der letzten Kommunalwahl die Wahlbeteiligung erfreulicherweise wieder gestiegen ist.

Kommen wir zu wesentlichen Punkten Ihrer Amtstätigkeit zurück. Eine Ihrer ersten Aktivitäten war bereits im Juli 2007 der Verkehrsgipfel für einen zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke zwischen Trier und Luxemburg mit dem damaligen Bundesverkehrsminister Tiefensee, Ministerpräsident Beck und dem Mainzer Verkehrs- und Wirtschaftsminister Hering. Das Thema Bahnpolitik hat Sie dann auch noch unter ganz anderen Gesichtspunkten über ihre gesamte Amtszeit begleitet. Welches Erbe hinterlassen Sie hier Ihrem Nachfolger?

Es stimmt: die Bahnpolitik hat mich vom ersten Moment bis zuletzt beschäftigt. Der zweigleisige Ausbau nach Luxemburg ist nahezu vollendet. Das ist ein Erfolg. Aber es gibt noch viel zu viele Baustellen, die auf die unnachgiebige Haltung der Bahn zurückzuführen sind. Die Abkopplung Triers vom Fernverkehr ist aus meiner Sicht ein fortwährender Skandal. Bis zu meinem letzten Arbeitstag verhandele ich mit der Bahn über die Sanierung des Bahnhofsgebäudes und den Bau einer Fahrradstation. Ich hoffe immer noch, dass die Bahn in den kommenden Jahren ihre Politik endlich umkehrt und den verkehrspolitischen Anliegen des Trierer Oberzentrums mit der europäischen Kernregion endlich gerecht wird.

Ein weiteres Dauerthema von Beginn an war die Sanierung der Schulen und die Erstellung eines Schulkonzepts. Hier konnte sich der damit beauftragte Stadtvorstand mit seinen mühsam erarbeiteten Vorstellungen im Stadtrat nicht durchsetzen, unvorhergesehene Sanierungsfälle wirbelten zusätzlich viele Planungen durcheinander.

Die Schulentwicklung ist in der Tat ein schwieriges Feld. Bei einer Bilanz sollte bei allen aktuellen Problemen aber auch nicht ganz unerwähnt bleiben, dass im Schulbereich in den vergangenen acht Jahren sehr viele Neubau- und Sanierungsprojekte gelungen sind. Neue Auflagen im Brandschutz in zweistelliger Millionenhöhe haben uns in der Entwicklung dann ein großes Stück zurückgeworfen. Leider hat der Stadtrat eine Reihe von Vorschlägen der Verwaltung verworfen und Beschlüsse gefasst, die trotz meiner Warnungen in diesem Umfange nicht umzusetzen sind. Ich hoffe, dass hier bald Vernunft einkehrt.

Gleich zu Beginn Ihrer OB-Tätigkeit gab es im Oktober 2007 eine Konferenz „Stadt am Fluss“ mit dem Ziel, das Stiefkind Trierer Moselufer städtebaulich aufzuwerten. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?

Nein, ich bin nicht zufrieden. Es gab zwar eine Reihe von Verbesserungen, aber der große Durchbruch bei diesem für die Stadt so wichtigen Thema konnte aus finanziellen Gründen nicht erfolgen. Mit dem Schwerpunkt Schulbau und Schulsanierung habe ich notwendige Prioritäten gesetzt. Beides auf einmal geht nicht. Aber eine bessere Anbindung der Stadt an die Mosel, eine höhere Aufenthaltsqualität in Flussnähe wäre für Trier von unschätzbarem Wert. Vielleicht kann die Stadt eines Tages von finanziellen Sonderprogrammen für diese Zwecke profitieren. Einige Konzepte liegen ja schon länger vor und warten auf eine Umsetzung. Aber dafür brauchen wir nun mal Geld.

Als Sie Ihr Amt antraten, gab es noch die Antikenfestspiele, die dann aber bald aufgegeben werden mussten. Bedauern Sie das heute? Wie können die römischen Denkmäler als Alleinstellungsmerkmale unserer Stadt besser ins kulturelle Rampenlicht der überregionalen Öffentlichkeit gestellt werden?

Die Aufgabe der Antikenfestspiele ist bedauerlich, war aber zwingend notwendig. Auch hier mussten wir Prioritäten setzen. Die jährlichen Defizite waren nicht länger hinnehmbar, zumal sich uns die Möglichkeit eröffnete, dem kommunalen Entschuldungsfonds beizutreten, der uns in der Summe 150 Millionen Euro bringt. Die Aufgabe, die römischen Denkmäler stärker ins kulturelle Rampenlicht zu rücken, bleibt. Der Kulturdezernent hat dazu erste wichtige Vorschläge gemacht.

Die Weichenstellungen, bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen und die Stadt zu einem modernen zukunftsweisenden Zentrum der Gesundheitswirtschaft zu entwickeln, gehen auf Ihre Initiative zurück. Warum waren Ihnen gerade diese beiden Anliegen so wichtig?

Die Nachfrage nach Wohnraum, insbesondere bezahlbarem Wohnraum, ist anhaltend hoch. Viele Menschen, vor allem junge Familien, suchen verzweifelt nach geeigneten Wohnungen und Bauplätzen. Ich will nicht, dass Menschen mit unteren und mittleren Einkommen aus der Stadt gedrängt werden oder nicht die Möglichkeit haben, in die Stadt zu ziehen. Weitere Mietpreissteigerungen, die in den letzten Jahren enorm waren, lassen sich nur mit einem größeren Angebot an Wohnungen dämpfen. Die Priorisierung auf die Gesundheitswirtschaft bedeutet ein Stück Zukunft für Trier. Ich bin überzeugt, dass die Stadt und die Region von der Verbesserung der Infrastruktur im Gesundheitswesen erheblich profitieren werden. Das haben auch die unterstützenden und aktiv mitwirkenden Institutionen glücklicherweise erkannt.

An vielen weiteren Projekten waren Sie als OB und somit „oberster Geldbeschaffer“ beteiligt. Haben Sie die Fahrten nach Mainz mal gezählt, um dort bei den zuständigen Ministerien anzuklopfen und um finanzielle Unterstützung anzuhalten?

Nein, das habe ich nicht, aber es waren sehr viele, von den Telefonaten mal ganz zu schweigen. Es ging dabei meist um Großprojekte, die im Bau- und Sozialdezernat konzeptionell vorbereitet wurden und für deren Finanzierung ich mich in Mainz und Berlin über Jahre sehr stark eingesetzt habe. Zu nennen wären die Projekte im Rahmen Soziale Stadt, der Stadtumbau Trier-West, die Reaktivierung der Weststrecke oder die Projekte im Rahmen des Konjunkturprogrammes II. Alleine für die drei letztgenannten Vorhaben ist es gelungen, etwa 100 Millionen Euro zu akquirieren.

Gibt es Vorhaben, die Sie noch gerne selbst umgesetzt hätten, deren Vollendung Sie jetzt aber doch Ihrem Nachfolger überlassen müssen?

 Ja, da würde mir einiges einfallen, aber es ist andererseits auch ganz selbstverständlich, dass die Dinge, die ich noch mit eingefädelt habe, jetzt von meinem Nachfolger weitergestrickt werden und dann hoffentlich auch abgeschlossen werden können. Eine Sache möchte ich aber dann doch erwähnen: Ich hätte gerne mit meiner demnächst auch ausscheidenden Kollegin Frau Kaes-Torchiani die komplette Loebstraße saniert übergeben. Damit war ich vom ersten Moment an beschäftigt. Leider haben Anlieger eine zügige Fertigstellung verhindert. Aber zumindest wurde jetzt mit dem Bau begonnen.

Es gab während Ihrer Amtszeit mit Xiamen in China die Gründung einer neuen Städtepartnerschaft. Zudem wurde eine Reihe von Partnerschaftsjubiläen gefeiert. In fast allen verschwisterten Städten waren Sie selbst zu Gast. Werden die Städtepartnerschaften insgesamt so positiv weiterlaufen wie bisher oder brauchen sie auf weite Sicht auch neue Perspektiven?

Städtepartnerschaften behalten ihre große Bedeutung. Wir tauschen uns über gleichgelagerte Fragestellungen aus und erfahren viel über andere Vorgehensweisen in den befreundeten Städten, von denen wir auch so manches lernen können. Die Verbindung mit Xiamen eröffnet uns in unterschiedlichen Bereichen ganz neue Perspektiven, von denen Trier profitieren kann. Da steckt im beiderseitigen Interesse ein großes Potenzial drin. Grundsätzlich finde ich es toll, dass sich die Städtepartnerschaftsorganisationen mit viel Engagement und Überzeugung um die Begegnung der Menschen der miteinander befreundeten Städte kümmern. Davon hängt alles ab. Aber für die Zukunft wird es auch noch mehr darauf ankommen, dass sich ganze Regionen austauschen und wir auch unsere Position innerhalb unserer Großregion weiter ausbauen.

Als OB ist man automatisch auch Mitglied oder Vorsitzender vieler unterschiedlicher Gremien in und außerhalb von Trier. Die Öffentlichkeit bekommt wenig davon mit, was der OB zum Beispiel als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke umgesetzt oder vorangetrieben hat. Wie groß war da Ihr Einfluss und wie sehen Sie den städtischen Dienstleister aufgestellt?

Die Stadtwerke sind hervorragend aufgestellt. Sie haben sich in meiner Amtszeit zu einem regionalen Dienstleister entwickelt und beispielhaft die Energiewende vorangetrieben. Das ist das Ergebnis harter Arbeit von 600 Beschäftigten, dem Stadtwerkevorstand, den Aufsichtsgremien mit ihren Stadtratsmitgliedern und letztlich auch von mir als zuständigem OB.

Gemeinsam mit dem Landrat des Kreises Trier-Saarburg teilt sich der Trierer OB den Vorsitz im Aufsichtsrat der Sparkasse. Welchen Stellenwert messen Sie der Bank in unseren finanzpolitisch sehr turbulenten Zeiten bei?

Der Stellenwert der Sparkassen kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Sie genießen ein hohes Maß an Vertrauen, bieten den Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit für ihre Konten und Einlagen und sind verlässlicher Partner für kleine, mittlere und große Unternehmen unserer Stadt. Wir müssen auch weiterhin allen Versuchen aus Brüssel, das Sparkassenwesen abzuschaffen, entschiedenen Widerstand leisten.

Die Haushaltskonsolidierung war auch während Ihrer Amtsperiode ein Dauerthema. Die kamerale Haushaltsführung wurde von der Doppik abgelöst, der Entschuldungsfonds wurde landesweit von Ihnen mit vorbereitet und für Trier eingefädelt. Wie beurteilen Sie Triers finanzielle Situation?

Die Stadt hat nach wie vor einen defizitären Haushalt und leidet gleichermaßen unter einer hohen Verschuldung sowie einem starken Sanierungsstau. Die prekäre Situation ist seit langem bekannt und hat überwiegend strukturelle Gründe. Man darf sich dennoch nicht entmutigen lassen. Immerhin ist es uns gemeinsam in den zurückliegenden acht Jahren gelungen, das Defizit erheblich zu senken und zusätzliche Finanzquellen zu erschließen. Die Spielräume werden weiterhin eng begrenzt bleiben. Aufbauend auf den Erfolgen bezüglich der Landes- und Bundeszuwendungen an die Kommunen müssen wir diesen Weg entschieden weitergehen.

Kritiker haben Ihnen, vor allem in den ersten Jahren Ihrer Amtszeit, vorgehalten, Sie würden nicht schnell genug entscheiden und nicht vorgeben, „wo es lang zu gehen“ habe. Hat Sie das geärgert?

Ja, es hat mich geärgert, weil es nicht stimmt. Zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler haben mich seinerzeit zum OB gewählt, weil ich kein „Basta-Politiker“ bin und vor Entscheidungen immer zunächst den Dialog stelle. Das ist oft der schwierigere, aber langfristig vielleicht auch der wirksamere Weg. Aber mit Kritik muss man als Politiker leben.

Die Pflege der aus der deutschen Geschichte abzuleitenden Erinnerungskultur haben Sie sich in den zurückliegenden Jahren von Beginn an zu einem auch ganz persönlichen Anliegen gemacht. Dem gegenüber standen die zunehmenden rechtsextremistischen Aktivitäten insbesondere eines Trierer NPD-Aktivisten, der es, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb, bislang darauf anlegte, den „Rechtsstaat mit dessen eigenen Mitteln“ zu bekämpfen. Das hat sich in vielen zeit- und kräfteraubenden juristischen Auseinandersetzungen niedergeschlagen. Ratschlägen, die Provokationen von Rechts zu ignorieren, haben Sie sich widersetzt. Warum?

Weil es gilt, immer entschieden den Anfängen zu wehren. Aus der Geschichte lernen heißt, extremistische Umtriebe sofort zu bekämpfen, auch wenn die Zahl derer, die sie vertreten, klein ist. Den Opfern der unvorstellbaren nationalsozialistischen Gewaltverbrechen sind wir es schuldig, uns jeder Form einer Wiederbelebung oder Verherrlichung rechtslastigen Gedankenguts, Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit zu widersetzen. Alle sind jeden Tag dazu aufgerufen, Demokratie zu festigen und weiter zu entwickeln.

Ganz zu Beginn Ihrer OB-Tätigkeit kam im Juni 2007 die schreckliche Nachricht vom Verschwinden der jungen Studentin Tanja Gräff, die bis heute vermisst wird. Wie sehr hat Sie das beschäftigt und gab es andere Vorfälle, die Ihnen persönlich nahe gegangen sind?

Das Schicksal von Tanja Gräff geht mir bis heute sehr nahe. Das gilt auch für den Tod einer Mitbürgerin durch einen umgestürzten Baum. Es geht mir auch sehr nahe, wenn Menschen wie bei der Schließung des Stahlwerks ihren Arbeitsplatz verlieren. Das hat mich besonders motiviert, mich für die Rettung von Firmen und Schaffung neuer Arbeitsplätze zu engagieren.

Sie haben jetzt acht Jahre an der Spitze der ältesten Stadt Deutschlands gestanden. Was waren die schönsten Ereignisse oder Momente?

Es gab sehr viele schöne Momente und Ereignisse. Besonders beeindruckt war ich immer von den Einbürgerungsfeiern. So viele glückliche Menschen trifft man selten, wie bei der feierlichen Übergabe der Einbürgerungsurkunden.

Ab dem 1. April wird Ihr Tagesablauf wohl nicht mehr von einem Termin nach dem anderen bestimmt werden. Wie, glauben Sie, werden Sie die nächsten Monate verbringen?

Nach 40 vollgepackten Berufsjahren freue ich mich auf einen entschleunigten Alltag. Mit meinem ehrenamtlichen Engagement für meine Stiftung für Gewaltprävention und Versöhnung und der Tätigkeit als Honorarkonsul des Großherzogtums Luxemburg wird es mir sicher nicht langweilig. Besonders freue ich mich auf mehr Zeit für meine Frau und meinen Freundeskreis.

Über 20 Jahre waren Sie jetzt als Staatssekretär und Oberbürgermeister in politischen Ämtern tätig. Angenommen ihre Kinder würden den Wunsch äußern, eine politische Karriere anzustreben. Was würden Sie ihnen raten?

Wenn sie das wollen, würde ich sie voll und ganz unterstützen, weil es wichtig ist, dass sich Menschen für das Gemeinwesen einsetzen.

Herr Jensen, wie sehr haben Sie die zurückliegenden acht Jahre geprägt? Haben Sie sich verändert?

Die Zeit als Oberbürgermeister hat mich in vielerlei Hinsicht bereichert. Die Stadt und ihre Menschen sind mir ans Herz gewachsen. Überwiegend gute, aber auch manche negative Erfahrungen nehme ich mit in meinen nächsten Lebensabschnitt. Ob ich mich verändert habe müssen andere bewerten. Ich bin froh, dass ich acht Jahre lang Oberbürgermeister dieser wunderschönen Stadt sein durfte und mir so viele Menschen ihr Vertrauen geschenkt haben.

Das Gespräch führte Hans-Günther Lanfer