Sprungmarken
13.01.2015

Mehr als ein warmes Bett

Parkbank als Nachtlager
Die Integration vieler Obdachloser in die Gesellschaft ist angesichts von psychischen Problemen, Suchtproblemen und anderer Herausforderungen ein langwieriger Prozess. Foto: schubalu/pixelio.de
Für Obdachlose ist der Winter die härteste Jahreszeit. In Trier gibt es Einrichtungen, die Übernachtungsmöglichkeiten und vieles mehr anbieten. Der Bedarf danach ist ungebrochen, vor allem bei jüngeren Menschen.

Das, was Thomas täglich braucht, trägt er in drei großen Plastiktüten mit sich herum. Eine Wohnung hat er nicht. Nicht mehr. Zu teuer. Nachdem ihn seine Frau verlassen hat, geriet der 56-Jährige in einen Teufelskreis aus Alkohol, Arbeitslosigkeit und Verschuldung, an dessen Ende die Wohnungslosigkeit stand.

Der Fall von Thomas ist fiktiv, der Fantasie des Autors entsprungen. Hört man jedoch Werner Schultze, dem Leiter des Benedikt-Labre-Hauses (BLH) zu, gewinnt man den Eindruck, dass der Fall des obdachlosen Thomas alles andere als unrealistisch ist. „Es gibt Menschen, die durch das soziale Netz fallen, etwa durch Arbeitslosigkeit, Verschuldung und Suchtprobleme ihre Wohnung verlieren, keine familiären Kontakte mehr haben und sich davor scheuen, Hilfe aufzusuchen.“ Schultze weiß, wovon er redet: Seit 1993 ist er Leiter des BLH in der Luxemburger Straße, einer Einrichtung der Caritas, die verschiedene Angebote für Obdachlose anbietet, von der Übernachtungsmöglichkeit über die Teestube mit Beratung bis hin zu einer vorübergehenden vollstationären Wohnmöglichkeit. 23 Betten stehen den Obdachlosen zur Verfügung, wenn der Bedarf da ist, können auch noch Notbetten aufgestellt werden. „Aktuell übernachten 18 bis 20 Männer bei uns“, erzählt Schultze. Diejenigen, die in Trier draußen schlafen, schätzt der 57-jährige auf fünf bis zehn Personen. Im BLH erhalten die Männer neben einer Grundversorgung auch weitergehende Hilfe, etwa bei der Jobsuche, dem Stellen von Anträgen oder der Suche nach einer Wohnung. Auch das Amt für Soziales und Wohnen bietet Hilfestellungen für Obdachlose an. Gerade die Wohnungssuche gestaltet sich nach Einschätzung von Schultze schwierig: „Der Wohnungsmarkt in Trier ist sehr schlecht, bezahlbarer Wohnraum sehr selten“, sagt er.

Werner Schultze und sein Team versuchen, die Menschen wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Angesichts „multipler Problemlagen“ wie Alkohol, Verschuldung, psychischer und familiärer Probleme sei die Integration ein langwieriger Prozess. Dennoch, es gibt sie auch, die positiven Beispiele: Menschen, die nach einer Therapie wieder eine Wohnung und Arbeit gefunden haben. Schultze weiß: „Bei vielen ist dies ein langer Weg.“ Er weiß aber auch, dass viele diesen Weg nicht gehen wollen.

213 Frauen im „Haltepunkt“

Eine Entwicklung, die Werner Schultze in den letzten Jahren festgestellt hat, ist, dass die Zahl der jungen Obdachlosen zwischen 18 und 25 Jahren steigt. Den Grund sieht der Sozialarbeiter unter anderem darin, dass einige junge Menschen nach der Jugendhilfe „abrutschen“. Sein Wunsch ist daher eine erweiterte Jugendhilfe, etwa Wohngruppen für junge Erwachsene.

Die Entwicklung, dass Obdachlose immer jünger werden, bestätigt auch Cornelius Günther, Streetworker im Exhaus. Eine mögliche Ursache sieht er darin, dass die jungen Menschen eher niedrigschwellige Angebote, etwa der Wohnungslosenhilfe, wahrnehmen, als den Weg über Jobcenter und Arbeitsamt zu gehen. Dies beobachtet auch Ilona Klein vom „Haltepunkt“, einer Einrichtung für wohnungslose und davon bedrohte Frauen vom Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF). Klein weiß, dass Mindestanforderungen des Jobcenters, beispielsweise zweimal die Woche präsent und pünktlich zu sein, für viele der Frauen, die in die Einrichtung kommen, eine Überforderung darstellen. „Viele unserer Frauen brauchen erst einmal eine Tagesstruktur“, erläutert Klein, die Abteilungsleiterin der Abteilung Gefährdetenhilfe für den SKF ist.

Der „Haltepunkt“ verfügt über vier Übernachtungsplätze. Auch besteht die Möglichkeit für die Frauen, tagsüber eine Anlaufstelle wahrzunehmen und Beratungsangebote zu nutzen. 213 Frauen kamen 2014 in die Einrichtung in der Krahnenstraße. Immer mehr sind gerade einmal volljährig oder Anfang 20, wie Klein berichtet. Problematisch sei, dass das Netz der Jugendhilfe nicht selten wegbreche, wenn sie 18 werden, weiß die Abteilungsleiterin. Auch wenn die Frauen, die in ihre Einrichtung kommen, in der Regel nicht obdachlos sind, ist sich Klein sicher: „Auch in Trier leben Frauen auf der Straße“.